Am 23. März referierte der Kreissportgerichtsvorsitzende Klaus Ullrich vor den anwesenden Schiedsrichtern. Zu Beginn seines Vortrags stellte uns Klaus die gesamte Sportgerichtsbarkeit in Unterfranken vor. Diese umfasst die 4 Kreissportgerichte (Würzburg, Schweinfurt, Rhön und Aschaffenburg), 2 Juniorensportgerichte (JSG I und JSG II) und das Bezirkssportgericht. Dies fungiert auch als Berufungsinstanz für die Kreissportgerichte. Sowohl im Jugendsportgericht II mit Roland Schmitt als auch im Bezirkssportgericht mit Hans-Peter Heimbeck sind Kollegen der SRG Würzburg vertreten. Das Kreissportgericht Würzburg hatte im verganenen Jahr 700 Fälle zu bearbeiten. Dies sind ca 40 % mehr als zum Amtsantritt von Klaus Ullrich.
Das Sportgericht wird aktiv auf Grund der folgenden Umstände:
§ 35 RVO-Anzeige: Findet in der Regel bei unzulässigem Einsatz von Spielern, Vergehen im Rücken des Spielers statt. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass Anzeigen von Nichtmitgliedern nicht zu behandeln sind.
§ 38 RVO-Einspruch: Regelverstoß des SR. Hierbei ist zu beachten, dass dieser mit hoher Wahrscheinlichkeit die Spielwertung beeinflusst haben muss um relevant zu sein. Entsprechende Grundsatzurteile des VSG liegen vor. Generell ist auch festzuhalten, dass wir an diese gebunden sind. Der Einspruch ist schriftlich innerhalb von 3 Tagen beim zuständigen Sportgericht einzureichen. Dieser muss schriftlich auf Vereinsbriefpapier (E:mail ist nicht zugelassen) mit Vereinsstempel und Unterschrift eingereicht werden. Wird dem Einspruch stattgegeben ist das Spiel in der Regel neu anzusetzen.
Der häufigste Grund für das Tätigwerden des Sportgerichtes, egal in welcher Ebene, ist jedoch die SR-Meldung. Der Verbandsschiedsrichterausschuss hat ein Musterformular im Benehmen mit dem Vorsitzenden des Sportgerichts der Bayernliga erstellt. Auf der Homepage der Gruppe aber auch auf der Homepage des VSA steht das Formular zum Download bereit. Dieses neu entwickeltes Formular in Tabellenform für die Meldung ist ein Hilfsmittel. Die Schiedsrichter haben keine Sanktionen zu, wenn dieses nicht verwendet wird. Natürlcih soll in einer Meldung auf alle Punkte eingegangen werden, die auch im Formular anzugeben sind.
Nun ging Klaus auf die grundsätzliche Vorgehensweise des Sportgerichts nach dem Eingang einer Meldung durch den Schiedsrichter ein. Generell bekommt das Sportgericht die Meldungen des vergangenen Wochenendes zwischen Mitte und Ende der darauffolgenden Woche. Teilweise müssen wir dann Vereine nochmals anschreiben um nach § 39 RVO rechtliches Gehör zu gewähren (notwendig bei Meldungen von Spielern nach gelb/roter Karte, Meldung von Zuschauern und Vereinsverantwortlichen). Anschließend kann der Verein oder die betroffene Person eine Stellungnahme innerhalb der vorgesehenen Frist beim Sportgericht einreichen. Natürlich müssen wir diese, wie auch Stellungnahmen bei normalen Fällen, bei unserer Urteilsfindung mit einfließen lassen. Bei gravierenden Abweichungen wird der SR von uns nochmals gehört. Zu Guter letzt wird ein Urteil gefällt dabei ist zu berücksichtigen, dass SR ihre Entscheidungen aufgrund ihrer Wahrnehmungen treffen, jedoch können Wahrnehmungen auch täuschen (sieht man jedes Wochenende in der Bundesliga).
Bei größeren Fällen oder wenn das Sportgericht aufgrund der vorliegenden schriftlichen Unterlagen keine sachgerechte Entscheidung fällen kann, wird eine mündliche Verhandlung durchgeführt. Diese kann im Übrigen auch von einem Verein oder Betroffenen verlangt werden, wenn im schriftlichen Verfahren Sperren von mehr als 8 Wochen verhängt werden. Die geplante Sperre wird dem verein dann vorab mitgeteilt. Die mündl. Verhandlung kann innerhalb einer Woche verlangt werden. Es besteht dabei allerdings die Gefahr, dass dann evtl. die Sperre höher ausfällt, da wir an die ursprünglich geplante Sperre nicht mehr gebunden sind. Selbstverständlich ist es aber nicht möglich bei jedem Verfahren in dem es Widersprüche gibt ein mündliches erfahren einzuberufen.
Der Strafrahmen bei Vergehen gegen SR (§ 68 RVO) liegt bei Beleidigung oder Bedrohung bei einer Woche bis zu sechs Monaten. Bei Tätlichkeiten im Bereich von 6 Monaten bis zu zwei Jahren. In leichteren Fällen mind. eine Sperre von 8 Wochen. In besonders schweren Fällen ist auf Ausschluss zu erkennen (durch das VSG). In der Regel führt eine Tätlichkeit gegen den SR zu einem Spielabbruch, was mit mind. 8 Wochen Sperre zu ahnden ist. Eine Bitte von Klaus an alle Schiedsrichter: Sollte der SR von seiner Strafgewalt keinen Gebrauch machen können (z. B. Spieler bereits des Feldes verwiesen), bitte umgehend das Sportgericht informieren, da der Spieler sonst weiterhin Spielrecht hat und die Sportgerichtsbarkeit auf jeden Fall vermeiden will, dass dieser nochmals zum Einsatz kommt. Durch eine einstweilige Verfügung (nach § 40 RVO: wird der Spieler vorläufig gesperrt. Ein SR unserer Gruppe wurde massiv beleidigt. Daraufhin wurde der betreffende Spieler per einstweiliger Verfügung gesperrt und mit einer Sperrstrafe von 6 Monaten belegt.
Das Sportgericht hat sich der DFB-Regelung angeschlossen, wonach Vergehen aus der vergangenen Saison beim Strafmaß mit berücksichtigt werden. Dies hat Klaus auch auf den Spielgruppentagungen im Sommer entsprechend an die anwesenden Vereinsvertreter weitergegeben. Im Klartext heißt dies, dass ein Vergehen aus der Saison 2010/2011 mit einer Woche Sperre mehr im nunmehr vorliegenden Fall sanktioniert wird. Ein Beispiel: Der Spieler erhält am 01.08.2010 eine Sperre von einem Verbandsspiel wegen einer Notbremse und hat jetzt, also 1,5 Jahr später wiederum einen Feldverweis wegen rohem Spiel, was im Regelfall zwei Verbandsspiele ausmacht, so wird er aufgrund dessen, dass er „Wiederholungstäter“ ist, mit drei Spielen bestraft. Dies ist sehr mühselig, da im Sportgerichtsprogramm jeder Spieler manuell aufgerufen werden muss.
Das Sportgericht ist sich natürlich bewusst, dass in den seltensten Fällen alle Beteiligten mit einem Urteil zufrieden sind. Dies liegt jedoch in der Natur der Sache. Den Vereinen ist die Sperre zu hoch, den SR zu gering. Oftmals muss das Sportgericht auch absolutes Neuland betreten und Entscheidung zu Fällen treffen, die bislang in dieser Art und Weise nicht vorgekommen sind. Ein populärer Fall ist sicherlich, dass ein SR eineiige Zwillinge nicht zusammen am Spiel teilnehmen ließ, weil der SR in der Vergangenheit negative Erfahrungen in dieser Hinsicht machte. Das Ergebnis 6 Monate Sperre. Die Berufung beim BSG bestätigte das Urteil. Auch die Revision beim VSG bestätigte das Urteil.
Nachdem das Sportgericht sein Urteil gefällt hat, wird dieses ins Internet gestellt. Der entsprechende Verein wird automatisch hierüber informiert. Innerhalb von einer Frist von zwei Wochen kann er das Rechtsmittel der Berufung einlegen. In unserem Falle geht dann die Angelegenheit an die Berufungsinstanz, dem BSG-Unterfranken.
Abschließen zog Klaus ein kurzes Resümmee und verabschiedete sich wörtlich mit folgendem Wortlaut: "Ich bin auch weit davon entfernt zu sagen, dass alle von uns getroffenen Urteile richtig sind. Um zu möglichst zeitnahen Urteilen bei Standardfällen zu kommen, haben wir lediglich die vorliegende SR-Meldung und die Stellungnahme des Vereins. Auch die Fülle der Fälle müssen hierbei berücksichtigt werden. Urteile werden unserseits, und zwar von allen Sportgerichten, nach bestem Wissen und Gewissen gefällt. Und im Zweifelsfall führen wir lieber eine mündliche Verhandlung mehr, wie eine zu wenig durch, auch wenn dies zeitintensiv ist. Ich wünsche uns für das gegenseitige Miteinander manchmal etwas mehr Gelassenheit. So wie Vereine und Spieler mit vermeintlichen Fehlentscheidungen leben müssen, trifft dies auch auf vermeintlich falsche oder vom Strafmaß her zu gering ausgefallene Urteile zu".
Nachdem Klaus seinen Vortrag beendet hatte wurde von unserem Werner Wunderling dem Refererierenden zum Dank ein kleines Präsent der Schiedsrichtergruppe Würzburg überreicht.