Während der Autofahrt zum Treffen geht mir das Besondere des anstehenden Gesprächs durch den Sinn. Mit Johann Wagner, Vorsitzender des Fußballbezirks Schwaben von 2017 bis 2021, und dem derzeit amtierenden BV Dr. Christoph Kern werden zwei Männer über ihre Erfahrungen erzählen, die den Fußball in Schwaben in direkter Verantwortung gestaltet haben und weiterhin prägen.
Was bewegt Menschen, die neben dem Beruf noch eine solche Verantwortung übernehmen? Wie gehen sie mit den vielen unterschiedlichen, oft gegensätzlichen Interessen der Vereine um? Auf welche Weise handhaben sie die Führung eines großen Mitarbeiterstabs an ehrenamtlichen Funktionären, der notwendig ist, um den Spielbetrieb am Laufen zu halten? Und welche Rolle spielt die Kooperation mit dem Landesverband in München, der den BFV in den letzten Jahren in vieler Hinsicht zu einem modernen, innovativen und gesellschaftspolitisch ernstzunehmenden Verband gemacht hat?
Nach einer herzlichen Begrüßung – wir freuen uns alle drei über das Wiedersehen „in Präsenz“ – wird im persönlichen Gespräch schnell deutlich, dass man nicht Bezirksvorsitzender wird ohne eine entsprechende Vorgeschichte, ohne persönliche Erfahrungen und Entwicklungen, die einerseits natürlich basieren auf dem Hobby Fußball, andererseits zu einem nicht unerheblichen Teil auf Kontakten und Umgang mit den Menschen.
Johann Wagner erzählt von seinen Fußballfunktionärswurzeln im Schiedsrichterbereich. Der 63-Jährige wurde 1998 zum Obmann der SR-Gruppe Donau gewählt, arbeitete im Bereich Dillingen ab 2002 als Spielleiter der Herren bevor er 2006 Bezirksspielleiter und stellvertretender Bezirksvorsitzender wurde. Als Volker Wedel 2017 den Bezirksvorsitz aus gesundheitlichen Gründen niederlegen musste, übernahm der Zusamaltheimer das Amt bis April 2021. Dann zwang auch ihn die Gesundheit zu einem unerwarteten Rückzug. Dr. Christoph Kern war damals sein Wunschkandidat für die Nachfolge als BV.
Christoph Kern, der ursprünglich aus Unterfranken stammt, war zu diesem Zeitpunkt in Schwaben schon kein Unbekannter mehr. Er gehörte seit 2015 dem Bezirks-Schiedsrichterausschuss an, zuständig dort für das Beobachtungswesen. 2016 wurde er zum Bezirks-Schiedsrichterobmann berufen. Durch seine berufliche Tätigkeit als Jurist war er prädestiniert für den Vorsitz des Sportgerichts der Bayernliga, ein Amt, das er 2018 annahm und bis zu seiner Berufung als kommissarischer Bezirksvorsitzender bekleidete. Die Anfrage von Johann Wagner traf bei ihm – wenngleich nach einiger Überlegungszeit – auf offene Ohren; der 38-Jährige wurde vom Verbandspräsidium als Bezirksvorsitzender Schwabens und als Mitglied des Verbandsvorstands berufen.
Meine beiden Gesprächspartner beuteilen das Amt des Bezirksvorsitzenden als interessante und spannende Aufgabe, bei der man etwas bewegen und gestalten kann. Sie schildern, dass es schön ist, für eine solche Position in Betracht zu kommen. „Man fühlt sich bestätigt, wenn man erkennt, dass andere mit den bisherigen Leistungen zufrieden sind, man freut sich über die Anerkennung, die hier sichtbar wird, und man ist stolz auf das, was man für den Fußball schon erreicht hat!“, so das einhellige Echo auf meine Frage. Und Johann Wagner fügt als „BFV-Ruheständler“ noch hinzu, dass für ihn neben Großereignissen wie der Spielklassenstruktur und der Abschaffung der Bezirksoberliga vor allem die Arbeit im Verbandsspielausschuss und im Vorstand bereichernd und prägend war. „Man erkennt hier die Ausmaße, die Entscheidungen für den Fußball in ganz Bayern haben und lernt das Große und Ganze kennen.“, weiß auch Christoph Kern bereits nach 150 Tagen im Amt.
Der partnerschaftliche und transparente Umgang mit den Vereinen ist ihm als amtierenden BV äußerst wichtig. Vielfältige und nicht selten gegensätzliche Interessen und Anliegen beurteilt er mit folgenden Überlegungen: „Das Ziel, es allen recht zu machen, kann man nicht erreichen. Deswegen muss man zwar für Argumente zugänglich sein, aber dann die bestmögliche Mitte suchen, von der man auch selbst überzeugt ist.“ Und Johann Wagner ergänzt zum Thema „Führung eines großen Mitarbeiterstabs“, dass die vorgegebene Struktur des BFV der Weg zum Ziel ist. „Wenn loyale Ausschüsse und Kreisfunktionäre gute Arbeit leisten, ist ein Eingreifen des BV nur bei der Eskalation von Problemen notwendig, ein BV als alleiniger Manager ist weder zweckdienlich noch gefragt.“, versteht er sich als Teamplayer. Dieser Meinung schließt sich Christoph Kern an und setzt noch eines drauf: „Der BV stößt Projekte an, die Gestaltungsmöglichkeiten der Verbandsmitarbeiter müssen aber erhalten bleiben. Nur wer sein Vorhaben selbst geplant und durchdacht hat, kann es auch überzeugend weitervermitteln! Und unsere ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, ohne die es freilich nicht gehen würde, leisten richtig gute Arbeit.“
Beim Stichwort „Ideen“ wird an dieser Stelle des Gesprächs sehr deutlich, dass meine zwei Gegenüber auch große Stücke auf das Hauptamt des BFV halten. Neben dem Spielbetrieb, der ohne die Geschäftsstelle in München gar nicht möglich wäre, neben der ständigen unerlässlichen Anpassung und Weiterentwicklung der EDV und des Marketings, ist der Landesverband nämlich Ideengeber und Wegbereiter vieler – gerade im Hinblick auf die Corona-Pandemie – dringend notwendiger Unternehmungen, wie zum Beispiel der Schiedsrichterkampagne „Wir regeln das“ und der topaktuellen Kinderfußball-Kampagne #AufdiePlätze, fertig, los!
Das ist für mich eine Steilvorlage zur wichtigsten Frage des Interviews nach der Aufarbeitung der Corona-Folgen. Christoph Kern nennt dazu die Aufrechterhaltung des Spielbetriebs unter Einhaltung aller gebotenen Vorsicht und – vor dem Hintergrund sinkender Mannschaftszahlen – die Gewinnung von Aktiven im Jugend-, Frauen- und Schiedsrichterbereich. Eine Sache, die ihm sehr am Herzen liegt, ist die Freude und der Spaß am Fußball bei Kindern, Aktiven, Eltern und Ehrenamtlichen, die alle nach Corona-Einschränkungen und Lockdown wieder zur Normalität zurückfinden müssen.
Dass uns das ähnlich geht, zeigt sich, als wir uns nach einem entspannten Gesprächsabend verabschieden. Johann Wagner bringt es auf den Punkt: „Es hat mich gefreut, euch wiederzusehen. Das ist das, was mir letztlich fehlt, der persönliche Kontakt zu Menschen rund um den Fußball.“