Zwischen Ausgrenzung und Nichtsichtbarkeit: Die Situation von Sinti und Roma im Sport war Thema einer Podiumsdiskussion, zu der die Deutsche Akademie für Fußball-Kultur flankierend zur Ausstellung „Längst vergessene Held*innen“ nach Nürnberg geladen hatte. In der Kulturwerkstatt Auf AEG diskutierten BFV-Vizepräsident Jürgen Pfau, Oswald Marschall (ehemaliger Boxer und Mitglied im Zentralrat der Deutschen Sinti und Roma), Ex-Nationalspieler Roberto Hilbert und Michelle Berger (Leiterin der Antidiskriminierungsberatung beim Verband Deutscher Sinti und Roma), warum erfolgreiche Sinti und Roma im Sport ihre ethnische Herkunft aus Angst vor Rassismus und Diskriminierung bis heute oft für sich behalten.
„Es muss möglich sein, dass man als Sinti und Roma im Sport nicht nur sichtbar, sondern auch ohne Ausgrenzung und Nachteile aktiv und erfolgreich sein kann. Ethnische Herkunft darf keine Rolle spielen. Dem Ball ist es egal, wer gegen ihn tritt. Gerade die integrative Kraft des Sports kann hier viel bewirken. Fußball als Mannschaftssport hat die Fähigkeit, einzubinden und über die Zuschauer auch ein Signal nach außen bis in die Mitte der Gesellschaft auszusenden“, erklärte Pfau, der im Verbands-Präsidium für die Kommission Gesellschaftliche Verantwortung verantwortlich zeichnet und auf der Bühne die Null-Toleranz-Politik des Bayerischen Fußball-Verbandes (BFV) bei jeder Art von Rassismus und Diskriminierung unterstrich. Pfau stellte dabei auch noch einmal die im Vorjahr geschlossene Kooperation des BFV mit der Generalstaatsanwaltschaft München vor. Ungeachtet der sportgerichtlichen Aufarbeitung meldet der BFV bei Rassismus, Diskriminierung oder Antisemitismus Fälle von Tragweite auch an die Justiz weiter, die nach Prüfung eigene Strafverfahren anstrengen und damit auch Urteile vor ordentlichen Gerichten erwirken kann.
Von seinen persönlichen Erfahrungen berichtetet der Ex-Boxer Oswald Marschall, der am eigenen Leib erfahren musste, mit welchen Widrigkeiten Sinti und Roma im Sport zu kämpfen haben: „Obwohl ich Anfang und Mitte der 1970er jahrelang die deutsche Amateurboxszene mit dominierte, durfte ich damals nicht mit zu den Olympischen Spielen nach Montreal fahren. Auch wenn es seinerzeit niemand klar ausgedrückt hat, war diese Ausbootung durch die damaligen Verantwortlichen doch dem Umstand geschuldet, dass ich ein Sinto bin.“
Eine Situation, an der sich bis heute leider wenig geändert hat, wie Michelle Berger auf die Frage, ob sie heutzutage jemand raten könne, sich als Sinti oder Roma zu outen, erklärte: „Leider nein, selbst heute ist das Risiko von Nachteilen für ihn oder sie immer noch höher, als wenn er es für sich behält. So gibt es aktuell im deutschen Profifußball mehrere Spieler, die ihre Ethnie für sich behalten.“
Noch bis 19. März 2025 rückt die Ausstellung „Längst vergessene Held*innen“ im Foyer der Kulturwerkstatt Auf AEG in Nürnberg beeindruckende Sportlerinnen und Sportler in den Fokus, darunter den Boxer Oswald Marschall, die Fußballspielerin Angel Theiß und den Kickboxer Gerard Lindner. Sie alle eint ihre herausragenden Leistungen im Sport sowie ihre Entscheidung, ihre Herkunft als Sinti oder Rom nicht zu verbergen – trotz der damit verbundenen Diskriminierungen und Ressentiments. Die Porträts erzählen von Identität, Selbstbewusstsein und dem Kampf gegen Vorurteile.