Wer nicht mit der Zeit geht, geht mit der Zeit: Um am Puls der Zeit zu bleiben und den bayerischen Amateurfußball fit für die Zukunft zu machen, hat der Bayerische Fußball-Verband (BFV) deshalb die Arbeitsgruppe (AG) Grundsatzfragen ins Leben gerufen. Vereins- und Verbandsvertreter sitzen dabei regelmäßig gemeinsam am Tisch, stellen eingeschliffene Prozesse auf den Prüfstand und identifizieren im Dialog auf Augenhöhe mögliche Verbesserungspotenziale. Beim zweiten Präsenztreffen im Maritim-Hotel in Ingolstadt stand jetzt das Thema Ganztagsschule im Fokus.
„Die Ganztagsschule wird kommen – und 2026 ist schneller da, als wir alle denken. Unsere Aufgabe ist es, unsere Vereine auf die kommenden Herausforderungen vorzubereiten und fit für die Zukunft zu machen. Deshalb müssen wir jetzt aktiv werden. Wir werden gute Argumente brauchen, um bei den Schulen einen Fuß in die Tür zu bekommen. Dafür müssen wir aber auch von euch wissen: Was erwartet ihr vom Verband, wie können wir euch unterstützen? “, erklärte BFV-Vizepräsidentin Silke Raml, die in Ingolstadt gemeinsam mit BFV-Präsident Christoph Kern, den beiden Vizepräsidenten Reinhold Baier und Robert Schraudner, BFV-Geschäftsführer Jürgen Igelspacher sowie 30 Vereinsvertretern über Herausforderungen und Chancen der Ganztagsschule sowie Formen der Kooperation zwischen Schule und Verein diskutierte.
„Das Thema Ganztagsschule wird aktuell in jedem unserer Vereinsdialoge thematisiert. Und ich bin überzeugt davon, dass es für uns ein wichtiges Thema ist, vor dem wir nicht die Augen verschließen dürfen. Wichtig ist, dass wir unseren Horizont für Ideen erweitern und keine Denkverbote zulassen. Brauchen wir vielleicht sogar eine hauptamtliche Stelle im Verband als beratende Anlaufstelle für unsere Klubs?“, erklärte Kern, der damit eine offen geführte Diskussion einleitete, in der zahlreiche bis heute offenen Fragen auf den Tisch kamen.
Welche Möglichkeiten bieten offener, gebundener und kooperativer Ganztag? Wie können sich Sportvereine im Wettbewerb mit anderen gemeinnützigen Institutionen wie Caritas behaupten und sich für Schulen attraktiv machen? Können Klubs Sportangebote am Nachmittag überhaupt auf ehrenamtlicher Basis realisieren? Welche Rolle kann hier der Bundesfreiwilligendienst spielen? Welche Fördermöglichkeiten gibt es von staatlicher Seite? Was heißt es für den Trainingsbetrieb, wenn die Kinder und Jugendlichen in absehbarer Zeit bis in den späten Nachmittag hinein die Schulbank drücken? Welche Auswirkungen hat die Belegung von Sportstätten durch Schulen auf den Vereinssport? Welche Unterschiede gibt es zwischen Stadt und Land?
Am Ende der zweistündigen Veranstaltung lagen die ersten Vorschläge auf dem Tisch: Ein Leitfaden für Vereine, der einen Überblick über alle denkbaren Kooperationsmodelle gibt und erklärt, wie sich Klubs für Schulen interessant machen können sowie eine zentrale Plattform, über die Vereine interessierte Freiwilligendienstleistende finden können, um den personellen Bedarf für Ganztagsangebote abzudecken. Nachdem andere Sportarten wie Handball, Basketball oder Eisstockschießen den Ganztag bereits als Chance für sich entdeckt haben, darf der Fußball nicht ins Hintertreffen geraten, war schließlich die einhellige Meinung des Plenums. „Wir bringen die Kids in Bewegung und haben eine wichtige gesellschaftliche Aufgabe. Jetzt sind wir gefordert, Konzepte zu entwickeln und unsere Vereine bestmöglich zu unterstützen“, erklärte Vizepräsident Baier.
Das unterstrich auch Vizepräsident Robert Schraudner: „Nicht alles wird sich pauschalisieren lassen und die Vereine werden gefordert sein, sich an den Schulen aktiv als Kooperationspartner anzubieten, für sich zu werben und dabei auch hartnäckig gegenüber der Schulleitung zu bleiben. Wir werden nicht überall offene Türen einrennen. Viel wird sich um die Frage drehen, wie sich das personell stemmen lässt. Deshalb ist es umso wichtiger, dass wir jetzt unsere Hausaufgaben erledigen und als Verband schauen, wie wir unsere 4500 Vereine bestmöglich mitnehmen können.“
Ein positives Fazit zog Tim Frohwein (FC Dreistern): „Man hat deutlich gemerkt, dass die überwiegende Zahl der Teilnehmenden die Wichtigkeit des Themas erkannt hat. Deutlich wurde aber auch, dass es aktuell noch viele Unwägbarkeiten gibt: Wie viele Eltern werden das Ganztagsangebot tatsächlich für ihre Kinder in Anspruch nehmen und von ihrem Rechtsanspruch Gebrauch machen? Wie viele Ganztags-Plätze stehen 2026 überhaupt zur Verfügung? Ich finde es gut, dass der Verband das Thema prominent auf die Agenda gesetzt hat. Wir brauchen jetzt unterstützende Angebote, vor allem, weil viele andere Sportarten und Einrichtungen bereits aktiv geworden sind, mit denen wir jetzt um die Aufmerksamkeit der Schulen konkurrieren.“
Das sieht auch Prof. Dr. Heinz Reinders so, der den Lehrstuhl Empirische Bildungsforschung an der Universität Würzburg innehat und sich beim FC Würzburger Kickers im Mädchen- & Frauenfußball um Marketing und Finanzen kümmert: „Das Thema ist grundsätzlich bei der AG Grundsatzfragen sehr gut aufgehoben und wir tun gut daran, jetzt schnell gemeinsam die nächsten Schritte zu gehen, um den Vereinen die nötige Unterstützung anzubieten. Denn der Fußball wird am Thema Ganztagsschule schlicht nicht vorbeikommen und tritt dort mit anderen Sportarten in Konkurrenz. Eine Umfrage zeigt deutlich, dass sich die Eltern vor allem Sport- und Bewegungsangebote wünschen. Der Bedarf ist folglich vorhanden und unsere Fußballvereine verfügen über die nötige Kompetenz. Und die Möglichkeiten sind vielfältig und reichen von einfachen Schnupperangeboten über Sportarbeitsgemeinschaften bis hin zu umfassenden Kooperationen.“
Beim ersten Präsenztreffen in Nürnberg hatten sich die Teilnehmer*innen mit der Zukunft des Vereinswechsels und der Frage beschäftigt, ob und welche weiteren Digitalisierungsschritte nach der Abschaffung des Papierpasses und der Einführung des Spielrechtsnachweises über die Spielerliste im SpielPlus sinnvoll sein könnten, um vor allem die Vereine bei Passneuausstellungen und Vereinswechseln weiter zu entlasten.
Vorbild für die Arbeitsgruppe Grundsatzfragen ist die bereits 2017 ins Lebens gerufene AG Finanzen, mit der der BFV einen in Deutschland einzigartigen Kurs eingeschlagen hatte: Regelmäßig stellt der BFV unter Leitung von BFV-Schatzmeister Jürgen Faltenbacher gemeinsam mit interessierten Mitgliedern in intensiven Arbeitstreffen Einnahmen und Ausgaben des größten DFB-Landesverbandes auf den Prüfstand und erarbeitet Empfehlungen für künftige Investitionen.