Als sich Nico Felleiter vom SSV Oberhochstatt im August 2016 einen grippalen Infekt einfängt, macht er sich zunächst keine großen Gedanken. Eine Woche Bett vielleicht. Drei, vier verpasste Trainingseinheiten. Ein, zwei Spiele Pause. Dann ist es ausgestanden. Glaubt er. Ist es aber nicht. Statt bergauf geht es immer weiter bergab.
Das Bett kann Nico Felleiter bald nicht mehr verlassen, sein Körper verweigert die Nahrungsaufnahme, behält auch keine Flüssigkeiten mehr, die Entzündungswerte schießen in die Höhe – auf den 300-fachen Wert des Normalzustandes. Er kommt ins Weißenburger Klinikum. Dort folgt der Schock: Die Ärzte diagnostizieren ein Nierenversagen, dazu eine Herzmuskelentzündung. Nur Stunden später geht es weiter ins Klinikum Süd in Nürnberg, wo er die nächsten sechs Wochen verbringt.
„Das Herz hat sich wieder vollständig erholt, aber die Nieren haben damals einfach einen Treffer wegbekommen“, erinnert sich Felleiter, der sich nun mit dem Gedanken auseinandersetzen muss, über kurz oder lang auf ein Spenderorgan angewiesen zu sein. „Zu Beginn habe ich mir nur wenige Gedanken gemacht. Klar hat man das Thema Transplantation im Hinterkopf, aber dass es wirklich unumgänglich ist, realisiert man erst mit der Zeit, wenn keine Besserung in Sicht ist. Ich hatte aber das Glück, dass ich einen unglaublichen Rückhalt hatte – seitens der Familie und von Freunden und Bekannten.“
Felleiter landet auf der Warteliste des deutschen Organspende-Registers – mit der prognostizierten Wartezeit von zehn Jahren. Parallel dazu beginnt die Suche nach einem geeigneten Lebendspender. Und er hat Glück: In der Familie, von der Oma bis zum Vater, ist sofort die Bereitschaft da, eine Niere zu spenden. Am Ende fällt die Wahl auf die Mutter, die sich wegen der identischen Blutgruppe als ideale Spenderin erweist. Der Glücksfall in einem Alptraum-Szenario.
Im Februar 2022 steht im Erlanger Klinikum der Termin für die Transplantation an – muss aber wegen der Corona-Pandemie gleich mehrmals verschoben werden. Erst aus Kapazitätsgrünen, dann ist Felleiter erkältet, schließlich die Mutter positiv auf das Corona-Virus getestet. Die Operation erfolgt schließlich erst im April – und verläuft reibungslos.
Felleiter steht danach nicht nur wieder als Innenverteidiger für die zweite Mannschaft des SSV Oberhochstatt auf dem Fußballplatz, sondern mit beiden Beinen mitten im Leben. „Mir ging es danach sofort besser. Ich habe mich gefühlt, als könnte ich Bäume ausreißen. Zuvor war mir jeden Morgen schlecht gewesen und ich habe einfach auch in normalen Alltagssituationen gemerkt, dass ich nicht voll leistungsfähig bin. Und das, obwohl ich die ganze Zeit über weiter Fußball gespielt und trainiert habe. Und bis heute sind die Werte Gottseidank konstant gut.“
Dass nicht alle so viel Glück haben, realisiert Felleiter auf der Reha im Allgäu. Dort trifft er auf Menschen, die ein ähnliches Schicksal teilen, auf eine neue Niere oder Leber angewiesen sind – aber teilweise bis zu zwölf Jahre auf den erlösenden Anruf warten mussten, dass ein geeignetes Spenderorgan gefunden wurde. Einfach, weil nach wie vor viel zu wenige Menschen im Organspende-Register registriert sind.
Auch deshalb ist es Felleiter ein Anliegen, für die Organspende zu werben. „Das Thema ist in der Öffentlichkeit nach wie vor einfach zu wenig präsent. Dabei kann es von heute auf morgen jeden treffen. In Deutschland ist es immer noch so, dass die Menschen ihre Bereitschaft zur Organspende von sich aus aktiv erklären müssen – im offiziellen Register, per Patientenverfügung oder mit dem klassischen Organspende-Ausweis. Das machen viele europäische Nachbarn mittlerweile anders. In Ländern wie Österreich, Italien, Frankreich, Spanien oder Großbritannien läuft es genau andersherum. Dort stehen die Menschen automatisch auf der Spenderliste und müssen aktiv widersprechen, falls sie nicht bereit sind, im Todesfall ein Organ zu spenden.“
„Hintergrund ist ja, dass die Menschen grundsätzlich fast immer zur Organspende bereit sind, die Hürde, dies auch offiziell zu hinterlegen vielen aber zu hoch ist. Leider wurde es im Bundestag bislang immer wieder abgewiesen, das Verfahren wie in anderen Ländern umzukehren“, sagt Felleiter, der sich von den Aktions-Spieltagen, die der Bayerische Fußball-Verband (BFV) gemeinsam mit dem Bayerische Staatsministerium für Gesundheit, Pflege und Prävention (StMGP) sowie ANTENNE BAYERN vom 1. bis 11. Mai organisiert, einen positiven Effekt verspricht.
„Der Fußball ist das ideale Zugpferd, um das Thema in die Köpfe der Zuschauerinnen und Zuschauer zu bekommen. Im ersten Schritt ist schon viel gewonnen, wenn sich die Menschen mit dem Thema einmal intensiv auseinandersetzen. Im zweiten Schritt muss dann jeder für sich persönlich entscheiden, ob er Spender wird oder nicht. Wobei es keinen vernünftigen Grund gibt, der dagegenspricht“, erklärt Felleiter, der auch unbegründete Vorbehalte vom Tisch wischt. „Es ist ja nicht so, dass man ins Krankenhaus kommt, vorschnell für tot erklärt wird und zwei Stunden später schon offen auf dem Tisch liegt. Das wird sorgfältig geprüft – von mindestens zwei unabhängigen Ärzten.“
Nico Felleiter unterstützt nicht nur die Aktions-Spieltage des Bayerischen Fußball-Verbandes, sondern ist auch Mitglied bei TransDia Sport Deutschland, einem Sportverein für Transplantierte und Dialysepatientinnen und -patienten, der vor allem über Social Media wichtige Aufklärungsarbeit leistet, aber auch an Wettkämpfen teilnimmt. Bei den Deutschen Meisterschaften holte er in der Vergangenheit bereits Gold im Sperrball-Weitwurf sowie im Weitsprung und Silber über die 400-Meter-Distanz. Im Mai wird er in Dresden bei den World Transplant Games 2025 antreten – gemeinsam mit 3000 Athletinnen und Athleten aus der ganzen Welt. Als Leichtathlet in den Disziplinen 100 Meter, in der Staffel und im Weitsprung sowie im Fußball – voraussichtlich gemeinsam mit dem kroatischen Ex-Bundesligaprofi und Nationalspieler Ivan Klasnic, der sich seit seiner Diagnose mittlerweile schon drei Nierentransplantationen unterziehen musste, da seine Spenderorgane in den Jahren nach ihrer Transplantation vom Körper wieder abgestoßen wurden bzw. in ihrer Funktion eingeschränkt waren.