Miteinander reden hilft immer! Entweder das gegenseitige Verständnis wird noch größer oder aus konträren Meinungen wird meist zumindest ein Kompromiss. Bekanntlich geht es beim Fußballspiel emotional zu und mittendrin stecken die Unparteiischen, die mit jedem Pfiff nicht nur eine Entscheidung treffen, sondern auch eine Entscheidung zugunsten eines Teams und damit auch zulasten des anderen Teams. In Schwaben tragen die von den dortigen zehn Schiedsrichter-Gruppen gemeinsam mit dem Bezirk iniitiierten Vereinsabende für mehr Verständnis – ein Modell mit Vorbildcharakter!
Im Durchschnitt 265 Entscheidungen haben die Referees pro Spiel binnen 90 Minuten Spielzeit zu treffen. Das birgt reichlich Konfliktpotenzial, zumal es nur allzu menschlich ist, dass die eine oder andere dabei auch mal falsch ist. Das weiß Richard Käsmayr von der Schiedsrichtergruppe Donau nur allzu gut und er weiß auch, dass die Bereitschaft der Aktiven und der Zuschauer dies zu akzeptieren begrenzt ist und auch regelmäßig zu Konflikten führt. Käsmayr weiß aber eben auch, dass reden hilft und weil dafür während eines Spiels nur wenig Zeit bleibt, hat er zusammen mit seinen Schiedsrichterkolleginnen und -kollegen die Idee geboren, durch die schwäbischen Vereinsheime zu touren und dort mit den Vereinsmitgliedern in den Austausch zu gehen. Im März 2023 war Auftakt beim FC Osterbuch, seitdem folgten rund 40 weitere der knapp zweistündigen Besuche.
„Der Ablauf ist immer ähnlich. Wir stellen uns und die bayerischen Schiedsrichterinnen und Schiedsrichter mit allen Aufgaben natürlich erst einmal vor und erzählen, wie so ein Spieltag aus der Perspektive eines Schiedsrichters abläuft. Das ist ja doch ein anderes Erlebnis, als das aus Sicht eines Spielers oder Vereinsverantwortlichen. Dann machen wir mit Video-Einspielern ein Quiz, bei dem es darum geht, verschiedene Spielszenen zu beurteilen. Das ist immer sehr unterhaltsam, kommt super an und zeigt auch jedem, dass richtig oder falsch, rote oder gelbe Karte lange nicht so klar ist, wie viele glauben. Und zum Schluss gibt es natürlich den offenen Austausch und die Gelegenheit, noch mehr ins Gespräch zu kommen“, erzählt Käsmayr.
„Ich habe mittlerweile schon das Gefühl, bei Einsätzen am Wochenende zu spüren, ob wir bei dem Verein bereits zu Besuch waren, oder nicht“, ergänzt Bayernliga-Schiedsrichter Philipp Ettenreich, der Käsmayr beim Besuch bei der Spielgemeinschaft Lutzingen/Unterliezheim unterstützt. „Es ist nicht so, dass das Verhältnis zwischen Verein und Schiedsrichter bei Vereinen, wo wir noch nicht waren, zwangsläufig schlechter ist, aber dort, wo wir waren, ist das Verhältnis spürbar entspannter.“
Das dürfte künftig dann auch für die Spiele bei der SG Lutzingen/Unterliezheim 1973 zutreffen, bei der das Vereinsheim bis auf den letzten Platz gefüllt war. „Anfangs war sicherlich auch eine gewisse Skepsis da, aber der Abend war eine rundum gute Geschichte. Wir haben alle interessante Einblicke in die Arbeit der Unparteiischen gewonnen und was sie leisten“, sagte Christian Ehnle, 1. Vorsitzender der SG Lutzingen/Unterliezheim.
Es sind Pilotprojekte wie diese Vereinsabende, die dazu beitragen, dass bei aller Emotionalität auf dem Fußballplatz dann doch alle merken, dass alle Beteiligten – Spielerinnen, Spieler, Unparteiische, Trainer und Betreuer, Vereinsverantwortliche und nicht zuletzt auch die Zuschauerinnen und Zuschauer in der Fußballleidenschaft vereint sind und ein Gemeinsam für alle immer des beste Weg ist.
Nicht zuletzt tragen solche Abende auch dazu bei, das Verständnis für und die Wertschätzung der Unparteiischen zu steigern – ein nicht unwichtiger Baustein, um auch künftig noch vor allem junge Mädchen und Buben für die Aufgabe an der Pfeife zu begeistern. Diese Wertschätzung war den tausenden bayerischen Unparteiischen in der Vergangenheit abhandengekommen. Nach Jahren des Rückgangs bei der Zahl der aktiven Schiedsrichterinnen und Schiedsrichter ist zuletzt allerdings auch wieder die Trendwende geschafft worden. Nach dem Verbandstag 2022 und dem Initiativantrag "Ohne Schiri geht es nicht" hatte der Bayerische Fußball-Verband die Aufwandsentschädigungen für die Unparteiischen in Bayern erhöht, die „Soll-Zahlen“ für Schiedsrichter für die Vereine angepasst sowie Ausbildungsangebote für Interessierte in ganz Bayern ausgebaut und modernisiert.