Gerd Lamatsch hat in seiner Karriere so einiges erlebt: 1976 legte er als damals 16-Jähriger die Schiedsrichter-Prüfung ab und schaffte es als Assistent bis in die 2. Bundesliga. Mittlerweile hat der gebürtige Nürnberger nach eigener Aussage „fast 2000 Spiele auf der Uhr“ und war knapp zehn Jahre für den Bayerischen Fußball-Verband (BFV) und den Deutschen Fußball-Bund (DFB) als Schiedsrichter-Coach und -Beobachter unterwegs.
Trotz seiner eindrucksvollen Laufbahn sieht sich Lamatsch, der mit „RASEN-SCHIRI – Schiedsrichter aus Leidenschaft“ und „KELLER-SCHIRI – Der Weg zum Videobeweis“ auch schon zwei Bücher veröffentlicht hat, als „Basis-Schiedsrichter“ und engagiert sich mit reichlich Herzblut für die Gewinnung und den Erhalt von Schiedsrichter*innen.
Sein neuestes Projekt: Auf seiner Instagram-Seite @schiedsrichterkabinen zeigt Lamatsch Fotos von Schiedsrichter-Kabinen und sorgt damit auch für großen medialen Rummel. Bild, Süddeutsche Zeitung, Bayerischer Rundfunk – fast alle großen Medien haben bereits über Lamatschs Initiative berichtet. Im Interview spricht der 64-Jahre alte Familienvater über seinen Instagram-Auftritt, erklärt seine Intention hinter dem Projekt und erzählt über aktuelle Herausforderungen im Schiedsrichterwesen.
Gerd, du postest auf deiner Instagram-Seite @schiedsrichterkabinen Fotos von Schiedsrichter-Kabinen. Wieso tust du das?
Gerd Lamatsch: Mir liegt vor allem das Thema Wertschätzung gegenüber unseren Schiedsrichterinnen und Schiedsrichter am Herzen. Und das geht schon bei der Kabine los, die der Verein den Unparteiischen zur Verfügung stellt. Da gibt es eine sehr große Bandbreite, die ich über meine Instagram-Seite darstellen möchte: Zehn Prozent der Kabinen sehen richtig gut aus, zehn Prozent sind richtig schlecht – und dazwischen gibt es eine wahnsinnige Vielfalt, über die man auch durchaus mal schmunzeln kann.
Geschmunzelt wird – so zumindest die Resonanz auf deine Beiträge – vor allem bei den negativen Beispielen.
Lamatsch: Was mir wichtig ist: Mir geht es auf keinen Fall darum, mit meinem Instagram-Kanal irgendjemanden oder irgendeinen Verein an den Pranger zu stellen! Ich möchte die Verhältnisse so zeigen, wie sie eben sind, das wahre Schiesdrichter-Leben sozusagen – und damit erreichen, dass die Vereine auch ein Stück weit Eigenverantwortung übernehmen und darüber nachdenken, was sie da eigentlich machen.
Wie sollte denn eine „gute“ Schiri-Kabine aussehen?
Lamatsch: Wichtig ist zunächst einmal eine gewisse Grundsauberkeit. Es muss nicht glänzen wie bei Meister Proper, aber manchmal ist es schon sehr grenzwertig, was da abgeht. Dann sollte eine Schiri-Kabine auch keine „Gefängniszelle“ sein und eine gewisse Größe aufweisen – gerade, wenn man mit einem Gespann unterwegs ist. Ansonsten gehören eine Garderobe, eine Sitzbank und ein Stuhl mit Tisch als Schreibmöglichkeit zur Grundausstattung. Idealerweise befinden sich auch Dusche und WC in der Kabine, sodass man nicht rausgehen muss. Und gerade jetzt in der kalten Jahreszeit sollte die Kabine natürlich geheizt sein.
Hast du in deiner langjährigen Laufbahn schon mal eine besonders schöne Kabine zugeteilt bekommen?
Lamatsch: Da waren einige dabei. Besonders in Erinnerung geblieben ist mir aber eine Kabine – ich weiß gar nicht mehr, wann und wo das war –, in der es einen Safe gab. Mir wurde vor einigen Jahren mal Geld aus der Kabine gestohlen, seitdem lasse ich keine Wertsachen mehr in der Kabine zurück. Da war das schon eine tolle Sache.
Müssen Vereine den Schiedsrichter*innen denn auch Verpflegung in der Kabine anbieten?
Lamatsch: Das muss man separat betrachten. Ich brauche jetzt keine fünf verschiedenen Snacks und Getränke zur Auswahl. Viel wichtiger ist aus meiner Sicht, dass sich der Verein bei der Betreuung der Schiris einfach bemüht. Das hat auch wieder etwas mit dem Thema Wertschätzung zu tun. Ich habe den Eindruck, dass viele Vereine das mittlerweile verstanden haben und proaktiv Getränke oder auch Obst anbieten. Es gibt aber auch Klubs, bei denen man betteln muss, um ein Wasser zu bekommen.
Was sind für dich aktuell die größten „Probleme“ des Schiedsrichterwesens?
Lamatsch: Wir haben zu wenig Schiris, das ist leider Fakt. Das Problem ist aus meiner Sicht aber nicht, dass zu wenige einen Neulingskurs absolvieren. Viel schwieriger ist es, den Nachwuchs auch bei der Stange zu halten. Deshalb ist es wichtig, die Neulinge von Beginn an intensiv zu betreuen – das Patensystem, das in Bayern seit mehreren Jahren etabliert ist, hilft dabei sicher enorm.
Du selbst bist beim Thema Gewinnung und Erhalt von Schiedsrichter*innen ja auch sehr engagiert.
Lamatsch: Ich bin da so ein bisschen missionarisch unterwegs. Ich war als aktiver Schiedsrichter zwar auch im Profifußball im Einsatz, sehe mich aber als Basis-Schiedsrichter. Ich biete Vereinen zum Beispiel an, bei ihnen vorbeizukommen und Jugendmannschaften das „Hobby“ Schiedsrichter näherzubringen. Ich möchte dabei vor allem vermitteln, dass man durch eine Tätigkeit als Schiri für sein ganzes Leben profitiert, und einfach etwas zurückgeben. Außerdem habe ich Anfang des Jahres eine „Schiri-Fibel“ veröffentlicht.
Worum geht’s darin?
Lamatsch: Auch hier geht’s – ich wiederhole mich – um das Thema Wertschätzung. Mit der „Schiri-Fibel“, die man sich kostenlos downloaden kann, gebe ich Vereinen ein Hilfsmittel an die Hand, um zum einen ihre eigenen Schiris zu stärken. Zum anderen gibt es viele Tipps, wie man mit externen Schiedsrichterinnen und Schiedsrichtern umgehen sollte, wenn sie zum Spiel kommen.