Im Interview spricht Dr. Klaus Pöttgen, Ernährungsexperte des SV Darmstadt 98 und Ex-Triathlet, über die richtige Ernährung für Amateurfußballer, das (alkoholfreie) Bier nach dem Spiel und Nahrungsergänzungsmittel, die Wachstum, Regeneration und das Immunsystem perfekt unterstützen.
Welche Rolle spielt die Ernährung im Fußball?
Pöttgen: Eine sehr große Rolle!
Aber Talent ist doch wichtiger?
Pöttgen: Natürlich, ohne Frage. Ohne Talent geht im Fußball nichts. Doch ab einem gewissen Level geht im Fußball – oder generell im Sport – auch nichts ohne die richtige Ernährung.
Können Sie das an einem Beispiel festmachen?
Pöttgen: Spitzensportler und Menschen, die hohen Belastungen ausgesetzt sind, aber auch Jugendliche haben einen Eiweißbedarf von etwa eineinhalb bis zwei Gramm pro Kilogramm Körpergewicht am Tag. Für Erwachsene, die keinen Sport machen wird circa ein Gramm Eiweiß empfohlen. Das Problem: Pro Mahlzeit kann man nur ca. 30 bis 40 Gramm Eiweiß einbauen, danach wird es direkt verbrannt. Der Körper kann Eiweiß – anders als Fett oder Kohlenhydrate – nicht speichern. Das heißt, dass ein Sportler über den Tag verteilt genug Eiweiß zu sich nehmen muss.
Der bekannte Eiweißshake hat also seine Berechtigung?
Pöttgen: Auf jeden Fall. Ein Eiweißshake vor dem Schlafengehen kann helfen, um die Nacht zur Regeneration zu nutzen und das Immunsystem zu unterstützen.
Welche Mahlzeit eignet sich im Rahmen eines Fußballspiels?
Pöttgen: Feste, aber leicht verdauliche Nahrung ist im Vorfeld gut geeignet. Gemüse, Reis, Nudeln, Quinoa oder Couscous ergänzt durch Milchprodukte sind zu empfehlen. Das allerdings gut zweieinhalb Stunden vor dem Anpfiff. Direkt vor und während des Spiels sind nur noch kohlenhydrathaltige Gels oder isotonische Getränke mit Zucker zugelassen. Diese wollen wir aber wirklich nur im Bereich der Belastung und des Trainings haben, nicht abends auf der Couch! Gleich zu Beginn der Halbzeitpause sollte man wieder ein Gel zu sich nehmen, das wird schnell verdaut und die enthaltenen Kohlenhydrate tragen sofort zum Schutz der Muskulatur bei.
Viele essen vor dem Spiel oder in der Halbzeitpause eine Banane.
Pöttgen: Das ist keine gute Idee. Bananen, Müsliriegel oder auch Kuchen haben in der Kabine nichts zu suchen. Gerade junge Spieler werden dadurch zum Essen verleitet. Das belastet den Magen. In Bananen sind zum Beispiel sogenannte Ballaststoffe enthalten. Die sind eigentlich ganz gesund, stellen für den Sport aber eben einen Ballast dar.
Wie sieht’s mit der Nahrungsaufnahme während eines Trainings aus? Ist das nötig?
Pöttgen: Das kommt vor allem auf die Intensität und die Temperaturen an. Bei Hitze muss vor allem vermehrt Wasser getrunken werden. In der Regel braucht der Körper dann auch mehr Kohlenhydrate, weil mehr geschwitzt wird und der Körper dadurch Salz verliert. Also braucht es Getränke, die Kohlenhydrate und Salze beinhalten. Gleiches gilt für hohe Intensitäten. Wenn es sich dagegen um ein lockeres Training handelt, brauche ich mit Sicherheit nicht extra etwas zu essen.
Stichwort Nahrungsergänzung: Was ist neben einer gesunden und ausgewogenen Ernährung sinnvoll?
Pöttgen: Im Grunde ist ja schon ein Eiweißshake eine Nahrungsergänzung, die uns hilft, wenn wir es organisatorisch nicht hinbekommen, genug Eiweiß zu uns zu nehmen – man kann seinen Quark ja nicht überall hin mitnehmen. Deswegen sind Sportler manchmal auf Supplemente angewiesen. Zum Beispiel die berühmten Eiweißriegel oder bestimmte Substanzen wie Magnesium, Omega-3-Fettsäuren, Folsäure oder – ganz wichtig – Vitamin D, die in Tabletten gepackt werden oder in einer anderen Form zur Verfügung stehen. Darüber hinaus gibt es auch anerkannte Nahrungsergänzungsmittel, die zur Leistungssteigerung beitragen.
Bezüglich Leistungssteigerung ist Creatin oft ein Thema. Was kann Creatin im Fußball bewirken und worauf kommt es an?
Pöttgen: Creatin war in den 90er-Jahren zum ersten Mal Thema. Seitdem wurden viele Studien durchgeführt und viele Erfahrungen gesammelt. Wir wissen: Creatin wirkt und führt zu einer Leistungssteigerung. Bei Fußballern wurden zum Beispiel höhere Geschwindigkeiten bei Sprints oder die Verbesserung der Sprunghöhe nachgewiesen. Auch wiederholte Sprints werden schneller und konstanter durchgeführt. Aus meiner eigenen Erfahrung weiß ich zudem, dass Spieler einer Fußballmannschaft durch die Einnahme von Creatin Gewicht zunehmen, durchschnittlich 500 g. Das kommt daher, dass Wasser in den Zellen eingelagert wird, und ist durchaus positiv zu bewerten. Denn durch diese Wasser-Einlagerung laufen die Regenerationsprozesse besser.
Das klingt gut.
Pöttgen: Ist es auch. Creatin ist eine nützliche Substanz, die durchgehend eingenommen werden darf und keine Nachteile hat. Und was viele nicht wissen: Creatin ist auch in der Nahrung enthalten, nur eben in zu geringen Mengen.
Also ist Creatin im Grunde ein Lebensmittel…
Pöttgen: Richtig. Wir nehmen Creatin über unsere Nahrung auf. Sportler haben jedoch – gerade bei kurzatmigen oder -zeitigen Belastungen – einen erhöhten Bedarf. Das Gleiche gilt für Omega-3-Fettsäuren und Eiweiß. Das muss ein Sportler einfach vermehrt zuführen, um die Leistung abrufen zu können, die er oder sie sich durch hartes Training erarbeitet hat.
Wie kann man Creatin sinnvoll einsetzen? Welche Dosierung ist richtig?
Pöttgen: Man sollte sich auf jeden Fall vor der Verwendung umfassend informieren und in die Dosierung einlesen. Drei bis fünf Gramm am Tag gelten als Richtwert. Alles, was darüber hinausgeht, ergibt keinen Sinn. Das Motto „viel hilft viel“ ist hier vollkommen fehl am Platz. Ein Sportler sollte beides haben: Einen Trainingsplan und auch einen Plan für Ernährung, Nahrungsergänzung und Supplementierung, basierend auf dem aktuellen Wissensstand.
Wie sieht es nach dem Spiel aus? Wie kann ich meine Energiespeicher wieder füllen?
Pöttgen: Nach dem Spiel braucht der Körper mindestens 40 Gramm Eiweiß. Dazu Kohlenhydrate und, wenn man die Zeit dafür hat, auch die richtigen Mengen an Omega-3-Fettsäuren oder an pflanzlicher Ergänzung. Pflanzliche Ernährung ist vor allem wichtig, weil die sekundären Pflanzeninhalte die Muskulatur schützen.
Stichwort Muskelkater?
Pöttgen: Genau. Ein Muskelkater ist im Grunde eine Entzündung, die über 24 Stunden entsteht. Wenn man trotz Muskelkater mit hoher Intensität weiter trainiert, riskiert man eine schwere Muskelverletzung. Deshalb gilt: Bei Muskelkater nicht mit voller Intensität trainieren. Entzündungshemmend wirken vor allem Beeren, insbesondere Heidelbeeren, aber auch Kirschen. Es gibt zudem zahlreiche Säfte oder Kapseln, die helfen können, Muskelverletzungen zu vermeiden.
Und ein Bier nach dem Spiel? Ist das erlaubt?
Pöttgen: Ja, ein Bier ist erlaubt. Da sind Elektrolyte und auch ein paar Kohlenhydrate drin, das darf man sich schon gönnen. Das Bier sollte aber auf jeden Fall alkoholfrei sein. Alkohol, vor allem in größeren Mengen, ist im Sport generell nicht zu empfehlen. Ein Beispiel: Die Einbauraten von Eiweiß werden unter Alkoholeinfluss gemindert, das heißt der Regenerationseffekt wird verschlechtert. Und was viel wichtiger ist: Wenn man abends Alkohol trinkt verschlechtert sich die Schlafqualität und dadurch auch die Regeneration.
Welchen Tipp gibst du Fußballer*innen für den Alltag mit auf den Weg?
Pöttgen: Es gibt eine einfache Regel, die man sich gut merken kann: Gemüse statt Salat, Fisch statt Fleisch und Beeren statt Obst. Fisch hat viele Omega-3-Fettsäuren und enthält Jod, Beeren haben deutlich weniger Zucker als Obst. Und außerdem: Zucker in der Freizeit soweit es geht weglassen, denn er wirkt entzündlich und hat einen negativen Effekt auf die Leistungsentwicklung. Beim Einkaufen sollte man daher auf den Wert „Kohlenhydrate und davon Zucker“ auf der Verpackung achten. Wenn der Zuckeranteil hoch ist, sollte man das Produkt nicht kaufen.
Und was sollte man kaufen?
Heidelbeeren, Spinat, Brokkoli oder Rote Beete. Die wirken entzündungshemmend und sind Superfoods. Und nicht vergessen, auch im Fußball gilt: Der Mensch ist, was er isst.
Ausbildung: Facharzt für Arbeitsmedizin und Allgemeinmedizin, Sportmedizin
Fußball aktuell: 2011-2015, 2020 – Mannschaftsarzt SV Darmstadt 98 mit Nachwuchsleistungszentrum u.a. Schwerpunkt Ernährungsberatung
Erfahrungen: 2002-2015 medizinischer Leiter beim Ironman in Frankfurt
Aktive Karriere: 7x Teilnehmer Ironman Hawaii Triathlon