Man vergisst oft, dass Sydney Lohmann erst 20 Jahre alt ist. Kein Wunder, denn die Mittelfeldspielerin, die sämtliche U-Nationalmannschaften durchlaufen hat, steht seit drei Jahren beim FC Bayern München und seit zwei Jahren mit der A-Nationalmannschaft auf dem Platz. Im Interview erzählt die gebürtige Oberbayerin von ihren fußballerischen Anfängen und verrät, inwiefern sie durch das Training mit den Jungs Vorteile gegenüber anderen Spielerinnen hatte.
Frau Lohmann, mit vier Jahren haben Sie das erste Mal im Verein Fußball gespielt, zehn Jahre später gaben Sie in der U 15-Nationalmannschaft Ihr Debüt. Können Sie sich noch daran erinnern, wie alles begann?
Sydney Lohmann: Ja klar, ich habe damals angefangen, mit meinem Papa auf der Straße zu kicken und dann beschlossen, dass ich gerne im Verein Fußball spielen möchte. Als wir auf der Straße gespielt haben, kam eine Familie vorbei, mit der wir ins Gespräch gekommen sind. Es hat sich herausgestellt, dass der Vater Trainer im Nachbardorf war und daraus hat sich ergeben, dass ich mit vier Jahren beim SV Lengenfeld angefangen habe. Ich kann mich noch an das erste Training erinnern, da waren wir ein Haufen Kinder unterschiedlichen Alters. Wir haben die Tore aufgebaut und sind erstmal alle wie wild auf den Ball gelaufen (lacht). Der Fußball hat mich dann auch nicht mehr losgelassen.
Anschließend sind Sie zum VfL Kaufering gewechselt, bei dem Sie als einziges Mädchen mit den Jungs gespielt haben. Später standen Sie für den SC Fürstenfeldbruck auf dem Platz. Wie waren Ihre Erfahrungen mit den Spielern?
Lohmann: Durchweg positiv. Ich habe mich immer super mit den Jungs verstanden. In meinem ersten Verein spielten auch meine besten Freunde, sodass ich mit meinen Teamkollegen auch in der Freizeit viel Zeit verbracht habe, da wir immer auf der Wiese hinter dem Haus gekickt haben. Von den anderen Vereinen kann ich ebenfalls nur Positives berichten, ich wurde immer voll akzeptiert in der Mannschaft. Es war nie so, dass sie gesagt haben: "Oh Gott, ein Mädchen". Im Gegenteil, die fanden das cool und waren stolz darauf, bei Turnieren oft das einzige Mädchen mit dabei zu haben. Ich habe mich immer gut mit meinen Teamkollegen verstanden, auch wenn ich die meiste Zeit das einzige Mädchen in der Mannschaft war.
Welche Skills haben Sie durch das Training mit den Jungs erlernt?
Lohmann: Man lernt auf jeden Fall die Härte und die Aggressivität. Ich habe mir dadurch auch angeeignet, schnell zu spielen. Da mehr Jungs als Mädchen Fußball spielen, gibt es hier auch eine bessere Leistungsdichte, sodass das Niveau besser ist. Ich habe gelernt, mich durchzusetzen und auch mal mit Widerstand umzugehen.
Hatten Sie durch das Training auch Vorteile Spielerinnen gegenüber, die zuvor in einer Mädchenmannschaft waren?
Lohmann: Ja, auf jeden Fall. Das Tempo ist ein anderes, das habe ich vor allem bei den Auswahlmannschaften gemerkt.
Inwiefern?
Lohmann: Bei der U 13 in der Bayernauswahl und auch in der Nationalmannschaft habe ich festgestellt, dass Mädchen, die schon in einer Mädchenmannschaft gespielt haben, ein bisschen langsamer und weniger aggressiv spielen. Von daher hat mir das Training mit den Jungs viel gebracht, weil man ab der U 14 schon cleverer spielen muss, um mitzuhalten. Da habe ich gelernt, mich besser zu orientieren und zu antizipieren.
2016 sind Sie dann in die Jugendabteilung des FC Bayern München gewechselt. War es eine große Umstellung für Sie als Sie dann in eine Frauen-Mannschaft gewechselt sind?
Lohmann: Neben dem Platz war das keine Umstellung, denn ich kannte schon viele Spielerinnen vom FC Bayern. Auf dem Platz war es anfangs schon ungewohnt. Als ich zum ersten Mal in die U 17 kam, war das Tempo nicht so hoch, dafür wurde mehr auf die Taktik geachtet. Ich durfte dann ab und zu auch mit der ersten Frauen-Mannschaft trainieren, da habe ich gemerkt, dass man nicht mehr so viel Zeit zum Nachdenken hat, da das Tempo hoch ist. Auch körperlich ist es um einiges intensiver und taktisch geprägter. Ich war in manchen Bereichen noch nicht ebenbürtig mit meinen Mitspielerinnen, aber hier habe ich erneut festgestellt, dass es mir zugute kam, dass ich zuvor bei den Jungs gespielt hatte.
Um Ihren Traum als Profifußballerin zu verwirklichen, sind Sie mit 16 Jahren von zuhause ausgezogen. Fiel es schwer, Freunde und die Familie zurückzulassen?
Lohmann: Es waren so viele neue Eindrücke, dass ich gar nicht die Zeit hatte, dem groß nachzutrauern. Es war alles spannend, der Vereinswechsel, die neue Schule und dadurch, dass München nicht so weit weg ist von meiner Heimat, bin ich damit ganz gut umgegangen. Meine Eltern haben es auch gut verkraftet, da wir uns regelmäßig gesehen haben. Entweder sind sie nach München gekommen oder ich bin nach Hause gefahren. Es war auf jeden Fall eine Umstellung, es hat mir aber auch geholfen, selbstständig zu werden und mit der neuen Situation umzugehen.
Wie wichtig waren die Familie, das Umfeld und die Amateurvereine für Ihre Karriere?
Lohmann: Extrem wichtig, ich wäre nicht da, wo ich jetzt bin, ohne die Vereine, die Familie und meine Eltern. Die haben mir das alles ermöglicht, denn es waren immer wieder lange Strecken zu Spielen oder Turnieren. Meine Eltern haben das wirklich gut gemacht, denn sie sind nicht zu allen Turnieren mitgekommen und haben den Fußball nie zu wichtig genommen, mich aber trotzdem immer voll unterstützt.
Viele Eltern, die in einem Ort wohnen, in dem es keinen Fußballverein gibt, kennen die langen Fahrzeiten, die Sie gerade angesprochen haben, nur zu gut.
Lohmann: Deswegen ist es extrem wichtig, dass gerade in ländlichen Gegenden Angebote für Kinder geschaffen werden, weil die Eltern nicht immer die Zeit haben, ihre Kinder zu fahren oder weite Strecken auf sich zu nehmen. Der Amateurfußball ist die Grundlage für alles was dann noch kommt, denn da entsteht die Leidenschaft für den Sport bei den jungen Kindern.
Wenn Sie auf Ihre bisherige Karriere zurückblicken, was verdanken Sie dem Amateurfußball?
Lohmann: Ich verdanke ihm alles. Ich hatte immer einen Riesenspaß und das große Glück, mit Spielern zusammenzuspielen, die teilweise auch meine Freunde waren, die mich immer unterstützt und mir gut zugesprochen haben. Ich hatte tolle Trainer, auch teilweise welche, mit denen ich nach wie vor in Kontakt bin.
Quelle: dfb.de