Die sozialen Medien sind ein fester Bestandteil unserer Gesellschaft. Egal ob Facebook, Instagram, Twitter, YouTube oder Snapchat: Quasi jeder kommt beinahe täglich mit einem der vielfältigen Social-Media-Angebote in Berührung – insbesondere seitdem das Smartphone zu unserem ständigen Begleiter geworden ist. Für Amateurvereine bedeutet dieser mediale Wandel eine große Chance. Eine Chance, die es zu nutzen gilt. Warum das so ist, erklärt Katharina Schöttl, Leiterin der Abteilung „Digitales Marketing“ am Internationalen Fußball-Institut (IFI), im Interview.
Frau Schöttl, warum ist es für Amateurvereine so wichtig, in den sozialen Medien aktiv zu sein?
Katharina Schöttl: Es geht vor allem um die bewusste Wahrnehmung des Vereins als Institution. Im Leben junger Menschen – und vor allem bei deren Informationsverhalten – spielt Social Media eine sehr große Rolle. Doch auch die „ältere“ Generation ist immer häufiger bei Facebook, Instagram und Co. unterwegs. Heißt: Wenn ich als Verein regional und lokal wahrgenommen werden möchte, führt kein Weg an den sozialen Medien vorbei – völlig unabhängig von der sportlichen Ambition.
Man muss die Leute also dort abholen, wo sie sind?
Schöttl: Ja, auch. Aber ich sehe das eher als eine Art Wechselspiel. Wenn es darum geht, neue Mitglieder zu gewinnen, dann muss ich natürlich dorthin, wo meine potenziellen ,Kunden‘ sind: auf den Social-Media-Plattformen. An dieser Stelle kommt wieder die Wahrnehmung ins Spiel. Denn die Wahrnehmung hat einen großen Einfluss auf unser Freizeitverhalten. Sie entscheidet darüber, ob ich zuhause bleibe, selber gegen den Ball trete oder einfach mal wieder ein Spiel des Vereins am Ort besuche. Andererseits nutze ich meine Mitglieder aber auch als Multiplikatoren, durch die andere User auf den Verein aufmerksam werden.
Wie funktioniert das?
Schöttl: Dadurch, dass die Inhalte gelikt, kommentiert und geteilt werden, verbreiten sich die Beiträge immer weiter und erreichen auch Menschen, die in den Social-Media-Kanälen noch nicht direkt mit meinem Verein verknüpft sind. Und wenn meine Inhalte dann auch noch qualitativ hochwertig sind und Relevanz besitzen, schaffe ich für diese Personen einen Anreiz, auch in den Verein zu kommen. Man muss das Gefühl vermitteln, etwas zu verpassen, wenn man kein Mitglied bzw. nicht dabei ist.
Wahrnehmung ist ein schwer greifbarer Begriff. Welche konkreten Chancen bietet Social Media für einen Amateurverein?
Schöttl: Im ersten Schritt habe ich die autarke Chance, den Verein nach außen darzustellen. Natürlich werden die sportlichen Ergebnisse zum Teil auch über die klassischen Medien verbreitet, doch dabei existiert ein Abhängigkeitsverhältnis. Ob die Lokalpresse über das Heimspiel der ersten Mannschaft berichtet, hängt von mehreren Faktoren ab: In welcher Liga ist das Team aktiv? Ist die Partie für den Redakteur überhaupt interessant? Hat er überhaupt Zeit? Und wenn ja: Wie und in welcher Form berichtet er darüber?
Dank Social Media wird ein Verein also selbst zum Berichterstatter.
Schöttl: Genau. Über Social Media kann er selbst steuern, ob und vor allem in welcher Form über den Verein berichtet wird. Wenn ein Klub zum Beispiel besonders stolz auf seine Jugendarbeit ist, dann publiziert er eben vorwiegend Bilder seiner Nachwuchsteams. Oder er sorgt dafür, dass das Vereinsleben überhaupt medial dargestellt wird, wenn ihm gesellschaftliche Aspekte ein wichtiges Anliegen sind. Doch das ist nur ein Punkt. Über Social Media kann ein Verein zudem seine Angebote an den Mann und die Frau bringen. Sei es eine Ankündigung zum nächsten Heimspiel der ersten Herrenmannschaft, eine Info zu neuen Schnupper- und Kursangeboten oder ein Link zum vereinseigenen Fanshop. Oder aber die Geschichten, die sich Tag für Tag in einem Verein abspielen. Warum nicht darstellen, was die Ehrenamtlichen leisten, wie sie mit Kindern umgehen und was sie dafür tun, um Kindern Spaß zu vermitteln?
Auch der monetäre Aspekt spielt eine Rolle?
Schöttl: Es kann durchaus auch finanziell etwas hängen bleiben. Zum einen natürlich über Werbeangebote, die darauf abzielen, neue Mitglieder zu gewinnen oder mehr Zuschauer ins Stadion zu locken. Außerdem ist ein professioneller Social-Media-Auftritt auch für potenzielle Sponsoren relevant. Angenommen ein Verein hat auf seinem Facebook-Kanal 1000 Fans: Das ist eine Zahl, die zum Beispiel auch für die lokale Dorfbäckerei interessant ist – schließlich sind diese 1000 Fans in der Regel auch potenzielle Kunden, die dort einkaufen.
Facebook, Instagram, Twitter, YouTube, Snapchat oder auch TikTok: Es gibt unzählige Social-Media-Plattformen. Welche Kanäle würden Sie einem Amateurverein empfehlen?
Schöttl: Einen Mix. Allerdings kommt es auch immer darauf an, welche strategische Zielsetzung ein Verein verfolgt und wie die personellen Kapazitäten aussehen. Wenn ich Social Media lediglich als reinen Nachrichtenkanal betrachte, dann ist Twitter sicherlich ein interessantes Medium. Wenn ich aber Emotionen erzeugen und transportieren möchte, dann ergeben Instagram und Facebook deutlich mehr Sinn. YouTube ist vor allem für Bewegtbild geeignet. Digitale Plattformen lassen sich aber auch untereinander gut verbinden und verlinken. Ich kann über Social Media neugierig machen und auf meine Website verlinken, wo dann vertiefte Informationen abgelegt sind. Die Möglichkeiten sind enorm. Es geht bei der Fülle an Möglichkeiten aber auch darum, sich nicht zu verzetteln. Lieber einen Kanal regelmäßig bespielen anstatt viele nur selten.
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Die meisten Amateurvereine setzen auf Facebook und Instagram. Eine gute Wahl?
Schöttl: Auf jeden Fall. Wobei man nicht den Fehler machen darf, auf beiden Kanälen dieselben Inhalte auszuspielen. Viele User sind ja in der Regel auf beiden Plattformen unterwegs – und auch schnell gelangweilt, wenn sie auf Facebook und Instagram denselben Content präsentiert bekommen.
Welcher Inhalt eignet sich für welche Plattform?
Schöttl: Die Story-Funktion hat bei Instagram eine deutlich höhere Relevanz als bei Facebook. Deswegen spielt die Aktualität der Bilder dort eine viel größere Rolle. Bei Facebook geht’s eher um Highlight-Berichterstattung.
Wie kann das bei einem Punktspiel konkret aussehen?
Schöttl: Auf Facebook bringe ich im Vorfeld einen Vorbericht als Ankündigung und nach dem Abpfiff einen kurzen Spielbericht mit den fünf besten Bildern. Auf Instagram bietet sich über die Story ein Liveticker-Format mit allen Toren oder auch mal ein Live-Video an. Und nach dem Spiel noch ein emotionales Jubelfoto oder -video als klassischer Beitrag. Wichtig sind Bilder und Eindrücke, die nicht alltäglich sind, die Einblicke „hinter die Kulissen“ bieten – beispielsweise ein Foto der Siegerparty in der Kabine
Video, Bild, Audio, Text: Wie wichtig ist die Darstellungsform eines Postings?
Schöttl: Das hängt zum einen vom Kanal ab, ist aber auch eine Sache des Aufwands. Nicht jeder kann ein Video schneiden, zudem kostet es Zeit. Generell ist aber Qualität das oberste Gebot. Das Motto muss lauten: Lieber zwei gute Bilder als ein schlechtes Video.
Sie haben es angesprochen: Social Media ist (zeit)aufwändig. Wie kann der Workflow innerhalb eines Vereins aussehen?
Schöttl: Es sollte auf jeden Fall eine Person im Verein geben, die redaktionell die Fäden in der Hand hat. Das läuft in der Regel besser als wenn mehrere Personen gleichzeitig auf den Kanal zugreifen und Inhalte publizieren, die sich im schlimmsten Fall doppeln oder sogar widersprechen. Es ist aber auch ganz klar, dass diese eine Person – gerade im Amateurfußball – nicht bei jedem Ereignis vor Ort sein kann.
Wie löst man dieses Problem?
Schöttl: Im Optimalfall gibt es ein Team, in dem jedes Mitglied zumindest mit den gröbsten Social-Media-Funktionen vertraut ist. Also zum Beispiel weiß, wie ein Foto auszusehen hat, damit man es auch verwerten kann. Oder welche Informationen man braucht, um einen kurzen Spielbericht zu schreiben. So ein Team kann sich zum Beispiel über eine WhatsApp-Gruppe organisieren und Inhalte austauschen. Aufgabe des Verantwortlichen ist es dann, das Team zu koordinieren, die relevanten Inhalte zu filtern und auch zu veröffentlichen.
Beim Thema Social Media wird oft über den Algorithmus gesprochen. Muss man sich als Verein darüber Gedanken machen?
Schöttl: Nicht im ersten Schritt. Natürlich spielt der Algorithmus – und damit die Uhrzeiten, zu denen man postet – eine entscheidende Rolle. Man sollte sich mit solchen Dingen aber erstmal nicht aufhalten. Eine gewisse Regelmäßigkeit ist zu Beginn viel wichtiger. Das ist für viele Amateurvereine schon Herausforderung genug. Wenn ich das geschafft habe, dann kann ich mir im zweiten Schritt immer noch Gedanken über den Algorithmus machen.
Welchen Tipp würden Sie einem Amateurverein mitgeben, der in Social Media durchstarten will?
Schöttl: In erster Linie geht es darum, die User durch Emotionen zu aktivieren. Dann fangen sie auch an zu liken, zu kommentieren und zu teilen, sodass die viralen Effekte greifen. Das muss nicht nur über das sportliche Aushängeschild des Vereins – in der Regel ja die erste Herrenmannschaft – laufen. Man muss sich bewusst machen, dass bei Social Media Dinge funktionieren, die in den klassischen Medien nicht funktionieren. Weil sich Spieler und Mitglieder eben auch gerne auf diesen Plattformen widerfinden. Gleichzeitig gilt es aber auch, authentisch zu bleiben und nicht zu versuchen, etwas zu präsentieren, das nicht den Werten oder der Philosophie des Vereins entspricht.
Zur Person: Katharina Schöttl hat Sportmanagement im Bachelor und Master an der Hochschule für angewandtes Management in Ismaning studiert und daran eine Promotion angeschlossen. Themenfeld ihrer Doktorarbeit, die sie im Januar 2019 eingereicht hat: Social Media und Kommunikation im Fußball. Am Internationalen Fußball-Institut (IFI) leitet Schöttl den Bereich „Digitales Marketing“. Dort kommt sie täglich mit Social Media in Berührung – sei es in der Forschung oder der Beratung von Vereinen aus Amateur- und Profifußball.