Was Albert Kallmaier als Schiri und Beobachter alles erlebt hat, das sucht in der Schiedsrichter-Gruppe Inn und vermutlich auch im ganzen Bayerischen Fußballverband (BFV) seinesgleichen. Der laut BILD „mutigste Schiedsrichter Bayerns“ hat über 1000 Partien bis hin zur Bayernliga (damals 3. Liga) gepfiffen und wurde anschließend mit über 650 Einsätzen dienstältester Beobachter des Verbandsschiedsrichter-Ausschusses (VSA). Um auf stolze vier Jahrzehnte VSA-Tätigkeit zu kommen, durfte der 71-jährige Pleiskirchner dank seiner Verdienste sogar ein Jahr länger tätig sein als üblich.
Kallmaier, der den Bayernligisten SV Erlbach vertritt, hat in seiner fast 50-jährigen Schiedsrichter-Karriere unter anderem Spiele von FC Bayern München, TSV 1860 München, 1. FC Nürnberg, Borussia Mönchengladbach, Hertha BSC, VfL Bochum, SV Darmstadt 98 und Waldhof Mannheim sowie von mehreren österreichischen, ungarischen und rumänischen Erstligisten geleitet. Auch die Nationalmannschaften von Saudi-Arabien und Kuwait mussten nach seiner Pfeife tanzen.
Leidenschaftlicher Wanderer und Hobbygolfer
Bis zur A-Jugend hat der leidenschaftliche Wanderer und Hobbygolfer beim DJK-SV Pleiskirchen gespielt und als Stürmer im letzten Jahr 50 Prozent der Tore erzielt. Aufgerückt zu den Herren zog sich der 2017 pensionierte Verwaltungsrat bald eine schwerwiegende Meniskusverletzung zu. Mit Gips hat er dann 1971 am Schiedsrichter-Neulingskurs teilgenommen. Der „Fußballverrückte“ hat sofort Ehrgeiz entwickelt und sich, nachdem die ersten Spiele gut gelaufen sind, „richtig reingehängt“. Obwohl er laut Bewertungsbögen meistens der Beste war, durfte er „mangels Erfahrung“ nicht von der B- in die damalige A-Klasse aufsteigen. Mit 23 Jahren erging es ihm dann beim Sprung in die Bezirksliga genauso und er musste, obwohl dokumentiert besonders befähigt, das Veto des BFV-Bezirks Oberbayern respektieren. „Gott sei Dank hat diesbezüglich wenig später auf Verbandsebene ein schleichendes Umdenken stattgefunden“, sagt Kallmaier.
Auf der Karriereleiter ging’s steil nach oben
Trotz der Unwägbarkeiten zu Beginn ging’s für Kallmaier auf der Karriereleiter steil nach oben. 1975 bis 1977 Bezirksliga, 1977 bis 1981 Landesliga und 1981 bis 1984 Bayernliga. Wegen Studium, Hausbau und Hochzeit konnte der zweifache Familienvater dann den Aufwand Bayernliga nicht mehr bewerkstelligen und konzentrierte sich fortan auf die Landes- bzw. Bezirksoberliga.
Nach seiner ersten Bayernliga-Saison huldigte ihm BILD mit der Überschrift „Der mutigste Schiedsrichter Bayerns“. Hintergrund: In seiner Premieren-Spielzeit pfiff Kallmaier 14 Elfmeter, davon elf für die Gäste. So zum Beispiel beim Spiel SpVgg Landshut gegen FC Augsburg, wo er drei Strafstöße für die Schwaben gab und am Ende mit einem Polizeiauto vom Platz gefahren wurde. Oder das Franken-Derby bei den Würzburger Kickers, bei dem er nach vier Elfern für den FC Schweinfurt mit Klorollen beworfen wurde.
Durchwegs positiver und robuster Holzlandler
Dem durchwegs positiven und robusten Holzlandler war das aber egal, Hauptsache seine Bewertung waren gut, was sie in der Regel auch waren. Kallmaier verewigte sich in der BFV-Geschichte als resoluter und vollkommen regelkonformer Unparteiischer. An die 100 rote Karten in 1000 Spielen zeigen allerdings auch, dass er auf die Höchststrafe jederzeit verzichtete, wenn fair gekickt wurde. Sein Auftreten verfolgten unter anderem 25000 Zuschauer beim Bayernliga-Duell (damals 3. Liga) zwischen dem TSV 1860 München und dem FSV Eching im legendären Grünwalder Stadion, das die Löwen mit 2:1 gewannen.
Als Lohn für seine bis dahin gezeigten Leistungen wurde Kallmaier 1984 vom Kanadischen Fußballverband fünf Wochen nach Ontario eingeladen. Dort durfte er die lange Tradition des Austauschs mit deutschen Schiedsrichtern fortsetzen. Insgesamt leitete er in Nordamerika 14 Spiele, davon innerhalb von zwölf Tagen fünf in der höchsten Liga. Kurioserweise hat der Bayernliga-Schiedsrichter gepfiffen und die kanadischen FIFA-Kollegen mussten zuschauen und lernen.
Kanadischer Fußball-Präsident empfing ihn in Toronto
In Toronto wurde Kallmaier sogar vom kanadischen Fußball-Präsidenten empfangen. Bis zum Alter von 42 Jahren hat er wöchentlich mindestens ein Spiel geleitet. Um für die höheren Aufgaben fit zu sein, hat der Oberbayer drei- bis vier Mal wöchentlich eine Laufeinheit, teils mit anstrengenden Intervallen, absolviert. 1985 begann er dann als Beobachter in der Landesliga (damals 4. Liga) und stieg nach drei Jahren in die Bayernliga auf. Da er auch hier seine Sache bestens machte, bekam Kallmaier mit 70 Jahren noch eine Sondergenehmigung, damit er die 40 Jahre beim BFV voll machen konnte. Während seiner über 650 Auftritte in ganz Bayern hat der selbstbewusste Pleiskirchner alle höherklassigen Schiedsrichter beobachtet, unter anderem auch den aktuellen Bundesliga-Referee Florian Badstübner.
Linienrichter mussten oft Heimfahrt übernehmen
Neben seiner Korrektheit auf dem Fußballplatz gilt Kallmaier auch als Schelm und als äußerst gesellig. „Ich habe mich nach den Spielen gerne mit den Spielern und Vereinsfunktionären ausgetauscht. Und das hat oft lange gedauert“, berichtet er mit leuchtenden Augen. Traditionsgemäß mussten die Heimfahrten oft von einem Linienrichter übernommen werden, wobei „Neulinge“ davon oftmals erst zu später Stunde erfuhren. Grundsätzlich setzte er bei seinen Linienrichtern auf Kontinuität. Unter seinen über 50 verschiedene Assistenten standen ihm Sepp Kiermaier (TuS Engelsberg) und Sebastian Burgstaller (RSV Mößling) über 30 Mal, Michael Kufner (SpVgg Jettenbach) mehr als 70 Mal zur Seite.