So hat DFB-Schiedsrichter-Lehrwart Lutz Wagner seinen Auftritt in Roth genannt. Vor etwa 100 Fußballschiedsrichtern der Gruppe Jura Nord hat der 58-jährige ehemalige Bundesliga-Referee seinen Kollegen aus der Kreisliga die Feinheiten der Regelauslegung in Deutschlands höchster Spielklasse nahegebracht. Zwei Stunden erläuterte er mittels Videoaufzeichnungen der Aufreger aus den jüngsten Bundesligaspielen, warum welche Entscheidung richtig oder falsch war und welche Hintergründe für diejeweilige Bewertung ausschlaggebend sind. Dabei rückte er auch die mittelfränkischen Bundesliga-Schiedsrichter Benjamin Cortus und Deniz Aytekin in den Fokus.
Wagner erwies sich dabei als exzellenter Fachmann sowohl der Regelkunde als auch der Auslegung in der jeweiligen Spielszene. Denn Wagner erläuterte an den passenden Stellen, warum der Videoassistent nicht eingegriffen hat, wann ein strafbares Handspiel vorliegt und was der Unterschied zwischen einer Notbremse und der Unterbindung eines vielversprechenden Angriffs ist. Wagner blieb dabei immer so praxisorientiert, dass jeder Zuhörer profitierte. Schließlich hat er nicht nur Bundesligabegegnungen gepfiffen, sondern hat, wie jeder in der Kufa, ganz unten begonnen. Mit einem Fleiß, der von der Liebe zum Fußball getragen war. "In meinem ersten Jahr habe ich 217 Spiele geleitet."
Wagner ist seit 1977 Schiedsrichter und hat von 1992 bis 2010 197 Spiele der 1. Bundesliga gepfiffen. Seither ist er leitender Koordinator für Regelauslegung beim DFB und kümmert sich in Frankfurt auch um den Schiedsrichter-Nachwuchs. Wagner hält Referate vor Trainern, Spielern und Fußballfunktionären. "Ein Heimspiel ist für mich immer dann, wenn ich bei Schiedsrichtern bin", erklärte er die Betitelung seines Besuchs anlässlich der wegen Corona um ein Jahr verspäteten 100-Jahr-Feier der Schiedsrichtergruppe Jura Nord, zu dem er auch überraschende Zahlen mitgebracht hatte. Knapp 87 Prozent aller Schiedsrichter pfeifen auf Kreisebene. Lediglich 25 der gut 48 000 aktiven Referees in Deutschland leiten Spiele der 1. Bundesliga. Überall gelte aber ein Motto, so Wagner. "Die Wahrheit liegt immer noch auf dem Platz." In diesem Sinne erklärte er auch, dass sich die Bundesliga-Schiedsrichter mit Hilfe einer eigenen Scouting-Abteilung auf bevorstehende Spiele vorbereiten." Für jedes Team wird für jede Saison ein eigenes Profil erstellt", erklärte Wagner. Beleuchtet werden Verhalten in der Defensive und der Offensive, Einzelspieler und Standardsituationen.
Klarheit schuf er für eine Situation, die kürzlich ganz Fußballdeutschland bewegt hatte. "Dass die richtige Zahl an Spielern auf dem Platz steht, ist alleine die Verantwortung des Schiedsrichters", erklärte er zum angeblichen Wechselfehler der Bayern in Freiburg. Schließlich gebe es davon vier bei jeder Bundesligapartie. "Einer muss durchzählen", so Wagner, der auch Einblick in die Aufarbeitung von Fehlern gab. "Dabei müssen wir intern die Dinge beim Namen nennen", plädierte er für eine klare Sprache, wenn unter Schiedsrichtern Kritik geübt wird.
Im Anschluss an sein kurzweiliges und für jeden Fußballfreund Gewinn bringendes Referat beantwortete Lutz Wagner souverän jede Frage aus dem Kreise der Jura-Nord-Schiedsrichter. Ebenso stellte er seine Bodenständigkeit unter Beweis. Als ihn ein Nachwuchs-Schiri mit "Sie" ansprach, reagierte er prompt. "Du kannst mich Duzen, wir sind Kollegen", meinte er in Richtung des 13-Jährigen. Außerdem erfüllte Wagner jeden Fotowunsch, ehe ihm Jura-Nord-Obmann Michael Winkler und Sven Laumer vom Verbandsschiedsrichterausschuss als Geschenk einen Korb mit fränkischen Spezialitäten überreichten.
Bild + Text: Robert Schmitt