Der schwäbische Bezirks-Frauen- und Mädchenausschuss hat in den letzten Jahren wechselvolle Zeiten hinter sich. Corona-Schwierigkeiten, rückläufige Spielerinnen- bzw. Mannschaftszahlen sowohl bei den Mädchen als auch bei den Frauen und viel personeller Wechsel in der Funktionärsriege haben die Aufgaben der Kreis- und Bezirksmitarbeiter/innen nicht leichter gemacht. Erst kürzlich ist die Stelle der Vorsitzenden des BFMA wieder vakant geworden, als Sabrina Hüttmann das Amt der Bezirksvorsitzenden übernommen hat.
Und jetzt sitzt mir da Tina Lechner gegenüber, eine 26 Jahre junge Frau, die – wie ich sofort begreife – für den Fußball brennt. Für mich erfreulich zu sehen, dass hier eine Berufung ins Haus steht, die unseren ungewollten „Schleudersitz“ nach allem hoffnungsvollen Dafürhalten in einen „Stammplatz“ verwandeln könnte. Von Berufs wegen ist Tina gelernte Industriekauffrau, hat dann ihre Ausbildung durch ein duales Studium ergänzt, was an sich schon den Fleiß und auch den Ehrgeiz eines Menschen beweist. Denn neben dem Job zu studieren, erfordert fraglos einen hohen zeitlichen Aufwand und die zugehörige Motivation.
Tina Lechner kommt ursprünglich aus Mündling im Kreis Donau. Dort hat sie ab 2001 bis zur D-Jugend bei den Jungs mitgespielt, was ihr offensichtlich nicht geschadet hat. Nach einem Umzug ins neu gebaute Ellgauer Eigenheim ihrer Eltern 2009 spielte sie – mangels eines Ellgauer Mädchenteams - in Thierhaupten von den B-Mädchen bis zu den Frauen. Dann stoppte eine schwere Verletzung in Form einer gesplitterten Kniescheibe die Jugendliche. Trotz langer Reha, trotz intensiver Physio und Einzeltraining musste die aufstrebende Sportlerin einsehen, dass ihre aktive Laufbahn ihr Ende gefunden hatte.
Aber wie das so ist, wenn jemand für den Fußball brennt, dann bedeutet ein vermeintlicher Schluss-Strich doch wieder einen gleichzeitigen Neubeginn. Im „Fall Lechner“ hatte das Schicksal die Weichen bereits gestellt. Tinas kleiner Bruder war zum genannten Zeitpunkt im G-Jugend-Alter. Er wollte auch Fußball spielen, doch die Eltern waren dafür, noch ein Jahr bis zur F-Jugend zu warten. Und da kam die große Schwester ins Spiel. Sie versprach, den Youngster zu fahren und für Fußballschuhe zu sorgen. Gesagt, getan, das Nachwuchstalent spielte bald beim heimischen TSV Ellgau, Tina war stets dabei und fand sich bald als eine der Trainer/innen der Jugendmannschaft wieder. So wuchs sie in die Vereinsarbeit hinein und wurde in der Folge zur Jugendleiterin beim TSV Ellgau gewählt, ein Posten, den sie immer noch innehat und den sie auch weiterhin ausüben wird. Bald wurde die JFG Lech-Schmutter auf sie aufmerksam. Dort hatte man „Trainer-Vakanzen“ bei den D-Mädchen, wo Tina Lechner ab diesem Zeitpunkt insgesamt vier Jahre ebenfalls im Trainerstab mitarbeitete. In der letzten Saison trainierte sie die Frauen-Mannschaft in Thierhaupten, die nach einem schweren Unfall ihres Trainers plötzlich ohne Coach da stand.
Zur gleichen Zeit, nämlich im Sommer dieses Jahres, sorgten nie da gewesene Ereignisse in den Führungsetagen des Bayerischen Fußball-Verbands für die anfangs genannten und bekannten Entwicklungen. Schwabens Bezirksvorsitzender Dr. Christoph Kern wurde Präsident, BFMA-Vorsitzende Sabrina Hüttmann als erste Frau Vorsitzende eines bayerischen Fußballbezirks. Und hier laufen die Handlungsstränge zusammen: Sabrina Hüttmann suchte nach einer Nachfolgerin im BFMA und bekam von Marika Mertl, die anlässlich des Festakts 50 Jahre + 1 Frauenfußball selbst für ihre Verdienste geehrt worden war, den „heißen Frauenfußball-Tipp Tina Lechner“. Mit Tinas Zusage und der erwarteten Berufung ins Amt der BFMA-Vorsitzenden werden wir in Schwaben eine bisher ausschließlich im Verein tätige Funktionärin bekommen. Ein für mich sehr erfreulicher Umstand, denn mit solchen Entwicklungen bleibt der Bezirksausschuss auf Augenhöhe mit seinen Vereinen an der Basis.
Tina Lechner sieht ihre kommende Aufgabe als Chance, etwas für den Frauen- und Mädchenfußball zu bewirken. Drei positive Voraussetzungen werden ihr nach meiner Meinung dabei helfen: Erstens hat Bezirksvorsitzende Sabrina Hüttmann zusammen mit ihrer Nachfolgerin bereits eine Übergabestrategie geplant und zusätzlich mit der vorgesehenen Bezirks-Spielleiterin Sandra Künzel ein Führungsteam zusammengefügt, das sich kennt und schätzt. Zweitens hat sich Tina Lechner bereits klare und handfeste Ziele für ihre Arbeit gesteckt. Sie will zum Beispiel vermehrt auf Kindergärten und Schulen zugehen und dort in der Kooperation Verein – Schule Mädchen an den Fußball heranführen. Erfahrungen dazu hat sie beim TSV Ellgau bereits gesammelt. Daneben fordert sie Mädchenfußball im Schulsport und ist der Überzeugung, dass der BFV hier für die Lehrer/innen schon genügend interessantes und hilfreiches Material in Form von Anleitungen und Videos zur Verfügung gestellt hat, auf das man problemlos zugreifen kann.
Was mich als „alten Hasen“ in der Funktionärsarbeit letztlich restlos von meiner jungen Kollegin überzeugt, ist aber ein Statement, für das man ihr nur Respekt zollen kann: „Dass ich gemeinsam mit meinem künftigen Team etwas für die Vereine und meinen Fußball bewirken kann, darauf bin ich stolz und das ist mir eine Ehre. Ich sehe mich als Mit-Treiberin für einen attraktiven Frauen- und Mädchenfußball.“
Und oben d‘rauf gibt sie auf gut Bayerisch noch ein Versprechen: „Und wenn ich was mach, dann mach ich’s g’scheit!“