Der Schweizer Ex-FIFA-Referee begeisterte mit Anekdoten und Tipps
Pfaffenhofen/Schweitenkirchen (ind) „Pfeifen kann jeder, aber für Leiten und Führen braucht es andere Qualitäten“ – unter diesen Leitspruch stellte der frühere FIFA-Schiedsrichter Urs Meier seinen Vortrag bei der Schiedsrichtergruppe Pfaffenhofen. Mit zahlreichen Anekdoten aus seiner bewegten Karriere und vielen Tipps für die Praxis redete sich der sympathische Schweizer rasch in die Herzen seiner rund 140 Zuhörer. Etliche neugierige Fragen aus dem Auditorium schlossen sich an, bevor Urs Meier sein Mikrofon aus der Hand legen konnte. Schließlich galt es noch, nicht enden wollende Autogramm- und Fotowünsche in der Monatsversammlung der Schiedsrichtergruppe zu erfüllen, die diesmal auch für einige ausgewählte Gäste aus Fußballkreisen geöffnet wurde.
„Sensationell gut“ sei sie, die bescheidene Portion Bratkartoffeln, die sich Urs Meier nach seinem Vortrag im Schweitenkirchener V-Heim genehmigte. Dabei hätte sich der besondere Gast beileibe ein opulenteres Mahl verdient. In mehr als zwei Stunden fackelte der Ex-FIFA-Referee ein wahres Feuerwerk an Erlebnissen und Ratschlägen ab, immer wieder ergänzt durch Zahlen, Daten, Fakten und aufschlussreiche Videoszenen. Urs Meier wirkte dabei wie seine Bratkartoffeln: Bescheiden, aber geschmackvoll, durchaus würzig und mit hohem Energiegehalt. Der Puls eines Spitzenreferee liegt beim Anpfiff einer Weltklassepartie bereits bei 170 Schlägen, gestern dürften es beim routinierten Urs Meier ein paar weniger gewesen sein. Rund 135 sichtbare Entscheidungen trifft ein Schiedsrichter während einer Partie, insgesamt muss er fast doppelt so oft in Spielszenen abwägen. „Der gute Schiedsrichter pfeift schneller als das Publikum“, meinte Urs Meier verschmitzt und mit Blick auf die eigene Akzeptanz, Berechenbarkeit und Zuverlässigkeit sind dabei zwei wesentliche Talente. Einem erfahrenen Schiedsrichter gebe die eigene Intuition dabei in 100 Prozent aller Fälle die richtige Entscheidung vor. So sei der Videobeweis sicherlich ein Instrument, das bei Abseits oder Torerzielung gute Dienste leisten kann. Bei Foul oder Handspiel läge die Wahrheit hingegen auf dem Platz, da brauche es Schiedsrichter, die im Graubereich Verantwortung übernehmen. Mit Blick auf seine wohl kniffligste Entscheidung, die Aberkennung eines vermeintlichen Tores im EM-Viertelfinale 2004 zwischen Portugal und England, fragte Urs Meier schelmisch in die Runde: „Habt ihr schon mal mit 11 Engländern diskutiert?“ Entscheidungen als Schiedsrichter zu treffen, bedeutet schließlich eben auch, Risiken einzugehen.
Als Hauptaufgabe eines Schiedsrichters bezeichnete es Urs Meier, die Spieler vor dem Gegner zu schützen, aber auch vor sich selbst. Dabei müsse man Menschen mögen und ihnen das auch zeigen. An verschiedenen Beispielen erläuterte Urs Meier seine Erfahrungen mit Legenden des Fußballs: Jürgen Klopp lobte der ehemalige Weltklasseschiedsrichter als echten Teambuilder, Oliver Kahn als starke Führungspersönlichkeit: „Der Michael Ballack hätte im WM-Halbfinale 2002 ohne die Ansprache von Oliver Kahn wohl kaum das entscheidende Tor geschossen.“ Die Vorbereitung eines Schiedsrichters auf ein Spiel stellte der Ex-Referee dabei unter das spanische Motto „siempre positivo, nunca negativo“: Es sei erforderlich, eine positive Einstellung zu gewinnen und sich auf die Partie zu freuen – schließlich gebe es doch nichts Schöneres, als nach dem Spiel auch als Unparteiischer Dank und vielleicht sogar Applaus zu ernten. An die Adresse des Schiedsrichternachwuchses richtete Urs Meier neben verschiedenen Ratschlägen einen wichtigen Appell: „Jedes Jahr, das ihr in unteren Ligen reifen dürft, bringt euch etwas, wenn ihr oben angekommen seid!“
Der Pfaffenhofener Schiedsrichterobmann Wolfgang Inderwies hatte also den richtigen Riecher, als er bereits vor vielen Monaten das Gastspiel von Urs Meier bei der Schiedsrichtergruppe Pfaffenhofen einfädelte. Die anhaltenden Ovationen der Zuhörer mögen für Urs Meier hoffentlich ebenso eine nachhaltige Erinnerung an die Hallertau sein wie die sensationellen Bratkartoffeln und ein persönliches Präsent, das ihm Wolfgang Inderwies überreichte. Die Pfaffenhofener Unparteiischen und ihre Gäste werden jedenfalls noch lange von diesem Abend zehren, und vielleicht war der Vortrag für einige Nicht-Schiedsrichter ja auch Ansporn, diesem Amt aus neuer Perspektive zu begegnen. Der nächste Schiedsrichter-Neulingskurs ist übrigens bereits terminiert, Beginn ist am Dienstag, 3. März 2020. Anfragen und Anmeldungen nimmt ab sofort Gruppenschiedsrichterobmann Wolfgang Inderwies unter srg-paf@mail.de entgegen.