Sie waren dann mal weg: Für ein paar Stunden hat sich die Auswahl des Bayerischen Fußball-Verbandes (BFV) bei der EM-Endrunde um den UEFA Regions‘ Cup in Spanien eine Auszeit vom getakteten Turnier-Alltag genommen. Die Reise führte die Schützlinge von Cheftrainer Engin Yanova dorthin, wo für fast eine halbe Million Menschen jährlich eine tiefe Sehnsucht in Erfüllung geht: Santiago de Compostela, das Ziel des Jakobsweges. Auch für die deutschen Kicker ist der Weg das Ziel. Nächste Etappe auf dem erhofften Weg ins Finale um Europas Amateurfußball-Krone ist das Duell mit Gastgeber Spanien an diesem Mittwoch (14. Juni 2023, 19 Uhr, Estadio A Lomba in Vilagarcía, Livestream auf dem BFV-YouTube-Kanal).
Vor der imposanten Kathedrale in der von der UNESCO zum Welterbe erklärten Altstadt der 96.000 Einwohner zählenden Hauptstadt Galiciens hatte die Europäische Fußball-Union UEFA alle acht Teams zum Erinnerungsfoto gebeten. Die Mannschaften sind in vier Hotels in und um Sanxenxo einquartiert, die BFV-Auswahl teilt sich die die direkt am Meer liegende Unterkunft mit Serbien.
Gut möglich, dass eines oder gar beide Teams am Donnerstagmorgen umziehen müssen – ins offizielle Hotel der Endspielteilnehmer. Deutschland braucht für den Sieg in Gruppe A gegen die bis dato ebenfalls verlustpunktfreien Spanier mindestens einen Punkt – sowohl Irland als auch Bosnien-Herzegowina sind nach zwei Niederlagen bereits raus. In Gruppe B ist die Ausgangslage indes merklich komplexer: Serbien mit aktuell vier Zählern aus den ersten beides Matches ist selbst bei einem Sieg gegen Portugal auf den Ausgang der Parallel-Partie zwischen dem bereits ausgeschiedenen Titelverteidiger aus Polen (0 Punkte) und Tschechien (4 Punkte) angewiesen. Das aber alles spielte am sechsten Tag in Galicien keine Rolle beim BFV-Tross.
„Auch wenn wir letztlich drei Spiele in sechs Tagen zu absolvieren haben, gehört dieser Teil der Begegnung aller Teams wie heute hier in Santiago mit dazu“, sagt der deutsche Delegationsleiter, BFV-Schatzmeister Jürgen Faltenbacher: „Jede Mannschaft repräsentiert ihr Land, die Kulturen sind unterschiedlich. Und letztlich ist es in unserem Team irgendwie ähnlich, zwar kennen sich viele – aber eben nur vom Fußballplatz. Und, um am Ende erfolgreich sein zu können, muss hier etwas zusammenwachsen. Da tut solch ein Tag mit ein paar Stunden Abwechslung gut. Diese Erinnerungen wird den Jungs keiner mehr nehmen. Auch das macht diese EM-Endrunde so besonders.“
Erinnerungen an seinen 21. Geburtstag wird Rufus Roth vom Bayernligisten FC Ismaning in jedem Falle behalten: „Team und Staff haben mich gleich zweimal überrascht: Um Mitternacht haben wir kurz angestoßen und auch beim Frühstück gab’s ein Ständchen, Kuchen und Glückwünsche! Das ist echt überragend. Dass wir dann noch zusammen in Santiago waren, hat einfach perfekt gepasst.“ Auch wenn der Himmel zwischendurch die Schleusen öffnete, dem Zufall überlassen die Kicker aus dem Freistaat nichts. Der Glaube, er lebt. Nicht wenige Kicker zündeten in der Kathedrale von Santiago die Compostela eine Kerze an: „Ja, klar. Und auch neben den Glückwünschen gab es ein Versprechen der Jungs“, sagt Roth: „Sie haben mir gesagt, dass wir über den Mittwoch hinaus hier bleiben und uns am Ende das maximal mögliche Geschenk abholen.“ Am Samstag gibt’s den silbernen Regions‘ Cup von der UEFA für den Europameister!
Den hatte sich Alexander Weiser 2019 nur ansehen dürfen, der Pott ging nach Polen. Der 34-Jährige war damals Spieler im deutschen Team, unterlag im Finale von Burghausen den Polen mit 2:3. Heute ist er neben Johannes Ederer Co-Trainer von Cehfcoach Engin Yanova: „Es ist schon verrückt, dieses Turnier aus zwei Perspektiven zu sehen, zu sehen, wie hier Mannschaften zusammenwachsen und Erfolg haben wollen. Klar, willst Du den Pokal am Ende mit nach Hause nehmen – aber jetzt haben wir das Spiel gegen Spanien im Fokus, was danach kommt, interessiert uns erst nach Abpfiff am Mittwochabend. Ich weiß nur, dass wir 2019 verdammt nah dran waren.“
So, wie jetzt. Der Weg ist das Ziel. Noch zwei Etappen gilt es, hinter sich zu bringen.