Deutschland-Premiere in Bayern – und ein garantiert historischer Tag für den Amateurfußball hierzulande! Nur 22 Tage nach der Grundsatzentscheidung am 26. Ordentlichen Verbandstag des Bayerischen Fußball-Verbandes (BFV), fortan Frauen die Möglichkeit zu eröffnen, auf Antrag bei den Herren Punktspiele zu bestreiten, ist es in der Oberpfalz zur Premiere gekommen: Jessica Eckl (38) und Sandra Pfannenstein (28) sind an diesem Sonntag (17. Juli 2022) für den FC OVI-Teunz II in der B-Klasse Cham/Schwandorf 2 der Männer in der Partie gegen den SC Altfalter II (1:6) aufgelaufen.
„Ich kann es noch gar nicht fassen, bei solch einer Premiere mit dieser Tragweite dabei gewesen zu sein – es war eine wirklich tolle Sache, die mir großen Spaß gemacht hat“, so das Fazit von Jessica Eckl nach der Partie. Sandra Pfannenstein sah indes das große Ganze: „Es ist absolut bemerkenswert, dass der Bayerische Fußball-Verband diese Möglichkeit neu geschaffen hat. Das ist in der heutigen Zeit einfach nur passend. Ich kann allen nur empfehlen, es selbst einmal auszuprobieren. Auf dem Feld war es wie immer – im Umgang miteinander gab es da keine Unterschiede. So macht Fußball Spaß!“ Für Mitspieler Sigi Eckl war „auch spielerisch kein Unterschied zu erkennen, die beiden Mädels sind technisch richtige gute Kickerinnen. Und spätestens mit dem Anpfiff überlegst du auch gar nicht, ob du jetzt Mann oder Frau anspielst – am Ende spielen wir einfach Fußball.“
Für Jessica Eckl und Sandra Pfannenstein ist dieser Tage Schwitzen angesagt. Die beiden Defensivspielerinnen des FC OVI-Teunz aus dem Oberviechtacher Land im Landkreis Schwandorf haben die Vorbereitung auf die neue Spielzeit aufgenommen. Für den souveränen Meister der Frauen-Bezirksliga Nord (16 Punkte Vorsprung) geht es ab dem 3. September 2022 eine Etage höher in der Bezirksoberliga an den Start – dann ist Saison-Auftakt auswärts beim 1. FC Schwarzenfeld. Doch das Mittelfeld-Duo hat sich bereits jetzt auf die Jagd nach Pflichtspiel-Punkten gemacht – für die B-Klassen-Herren ihres Heimatvereins. Ja, in der Tat! Dies ist seit dem Beschluss des Verbandstages möglich, §39 der BFV-Spielordnung erlaubt es seit dieser Saison, dass Frauen auch bei Männern spielen können.
„Wir haben davon gewusst und jetzt eben gleich darauf reagiert“, sagt Pfannenstein – binnen 48 Stunden hatte der Verbands-Frauen- und Mädchen-Ausschuss (VFMA) mit seiner Vorsitzenden Sandra Hofmann den Antrag des Oberpfälzer Duos genehmigt und den Weg geebnet. „Es hat jetzt einfach ganz gut gepasst, wir sind da ganz pragmatisch. Gerade als Mädel habe ich eh immer bei den Buben gespielt, auch in der Arbeit gab es immer gemischte Freizeit-Teams“, sagte die 28 Jahre alte freigestellte Betriebsrätin: „Alles also kein Problem.“ Für die zweifache Mutter Jessica Eckl, die als Fachinformatikerin arbeitet, ist dieser Tag ein nochmals bedeutsamer – nicht nur, weil sie den B-Klassisten als Kapitänin aufs Feld führt: „Ich habe jetzt die Gelegenheit bekommen, mit meinen beiden Brüdern in einem Pflichtspiel aufzulaufen – und das am 65. Geburtstags meines Vaters, der zweiter Vorsitzender und Stadionsprecher ist.“ Außerdem, so sagt sie, sei die Personaldecke der zweiten Mannschaft etwas dünn, „so haben wir dann auch etwas helfen und zur Entspannung beitragen können“.
Für Sandra Hofmann, VFMA-Vorsitzende in Bayern und Mitglied im Frauen- und Mädchenausschuss beim Deutschen Fußball-Bund (DFB), ist Letzteres „maximal ein willkommener, positiver Nebeneffekt. Darum geht es uns bei der Grundsatzentscheidung aber schlussendlich gar nicht. Uns geht es vielmehr darum, dass wir keine einzige Frau verlieren wollen, nur weil ihr die Möglichkeit fehlt, bei einem Frauen-Team zu spielen, die nicht so flächendeckend vertreten sind wie Männermannschaften.“ In Bayern waren zum jüngsten Erhebungsstichtag im Oktober 2021 insgesamt 6245 Herren- und 796 Frauen-Teams gemeldet. Immer wieder erhielt Hofmann in der Vergangenheit Anfragen, warum ein Mädchen, das von klein auf mit den Jungs spielt, nicht auch in der A-Jugend weiter mit dabei sein darf. „Einen A-Juniorinnen-Spielbetrieb haben wir im weiblichen Bereich nicht, wir wollten so bewusst die Frauenteams stärken. Doch wir haben den Weg genau dieser anfragenden Spielerinnen verfolgt, die wenigsten tauchen dann in Frauen-Teams auf, sehr viele hören ganz mit dem Fußballspielen auf.“
Das Beobachten und Verfolgen ist jetzt Aufgabe des Ausschusses unter Vorsitz der Neumarkterin: „Es ist ein Versuch, wir sehen das Vorgehen als eine Art Pilotprojekt. Wir werden diesen Prozess eng begleiten, indem wir die Möglichkeit nicht einfach nur schaffen, sondern das Spielrecht durch einen einfachen und unkomplizierten Antrag genehmigen. Wir wollen faktisch wissen, in welchen Vereinen, Regionen und Altersklassen diese Option gezogen wird.“ Während dieses Vorgehen des Bayerischen Fußball-Verbandes so in Deutschland einmalig ist, war es vor Jahresfrist bereits in den Niederlanden eingeführt und als längst überfällige, weil zeitgemäße „Revolution“ betitelt worden. Im Freistaat wird derweil eifrig diskutiert, was Hofmann gut und wichtig findet, aber gleich betont, „dass wir es hier mit keinem Massen-Phänomen zu tun haben werden. Es ist eine Möglichkeit, natürlich kein Muss. Verein und die Spieler*innen müssen selbst bewerten und können selbst entscheiden. Und natürlich müssen wir auch abwarten, wie vielen Spielerinnen es am Ende überhaupt Spaß macht und Freude bereitet. Die Anatomie von Mann und Frau ist und bleibt nun einmal eine andere“.
Das weiß nach der Partie auch Sandra Pfannenstein: „Ja, klar, körperlich sind diese Unterschiede nicht wegzudiskutieren. Gerade in Sachen Geschwindigkeit ist der Unterschied schon spürbar, das war richtig herausfordernd – entsprechend platt bin ich jetzt auch. Aber Spaß hat es in jedem Fall gemacht.“