Kunstrasen-Plätze erfreuen sich seit den 1990er Jahren bei Sportlern wachsender Beliebtheit. Sie sind ganzjährig nutzbar, wetterunabhängig und von ihren sportphysikalischen Eigenschaften inzwischen so gut, dass sogar Länder- und Erstliga-Spiele auf ihm ausgetragen werden. Doch was passiert mit den Spielfeldern am Ende ihrer Nutzungszeit? FormaTurf, eine Tochter der Sport Group Holding, geht jetzt einen neuen, nachhaltigen Weg beim Recycling des Kunstrasens.
Normalerweise hat ein Kunstrasenfeld eine Lebensdauer zwischen zwölf und 15 Jahren. Danach stellt sich die Frage, wohin mit dem alten Belag: Bisher wurde der Rasen deponiert oder thermisch verwertet. Das entspricht zwar auch heute noch den gesetzlichen Vorgaben, ist aber nicht besonders nachhaltig. Bei FormaTurf geht man jetzt einen anderen Weg, den der stofflichen Verwertung: Der Rasen wird ausgebaut, die einzelnen Bestandteile in einem Nasstrennverfahren separiert und wiederverwertet. Aus den Kunststoffen entstehen neue Produkte, die zum Beispiel beim Sportplatzbau wieder eingesetzt werden können. Das können Bausteine, Rasengittersteine oder Kantsteine sein. Der Sand, der bis zu 70 Prozent Gewichtsanteil bei einem Kunstrasensystem hat, wird gewaschen und kann zum Beispiel wieder als Infill oder zu anderen Zwecken hergenommen werden.
Die Sport Group, zu der mit der Polytan auch der größte Anbieter für Kunstrasen-Sportplätze gehört, schließt mit diesem Angebot den Wertstoffkreislauf. Von der Forschung und Entwicklung bis zum Ausbau und Recycling liegt damit alles in einer Hand. In Essen entsteht gerade ein hochmodernes Werk auf 20.000 Quadratmetern Fläche. Die Anlage bietet Platz für die Einlagerung von 100 Großspielfeldern. Bis zu 200 Plätze können hier jährlich recycelt werden.
Wichtig ist den Verantwortlichen die Transparenz. So werden alle ausgebauten Felder mit einem QR-Code versehen. Der Kunde kann bis zum fertigen Produkt nachverfolgen, was mit seinem alten Rasen passiert. Im Moment befindet sich das Werk noch in der Aufbauphase, aber ab der zweiten Jahreshälfte werden die ersten Plätze recycelt. Seit Ende 2021 werden bereits alte Rasen gesammelt und in Essen eingelagert. Ab dem dritten Quartal sollen auch Besichtigungen des Werkes möglich sein.
Eine Herausforderung für das neue Unternehmen ist der Zustand der alten Plätze. Was wird ausgebaut und recycelt? Wie belastet sind die alten Felder, was hat sich im Laufe der Jahre alles abgelagert? Um diese Fragen zu beantworten, wird der alte Rasen einem umfangreichen Testverfahren unterzogen. Eine erste Probe sollte bereits im Vorfeld gezogen werden, um den richtigen Entsorgungsweg bestimmen zu können. Eine zweite nach der Ankunft des Rasens im Werk und eine dritte aus den neuen Produkten, die aus dem alten Kunstrasen entstanden sind.
Doch wie ökologisch ist die FormaTurf wirklich? Dr. Beate Kummer, Chemikerin, Toxikologin und Umweltexpertin, hat die CO2-Einsparung ausgerechnet: „Wenn die FormaTurf etwa 40.000 Tonnen Kunstrasen jährlich recycelt, bedeutet das ungefähr 33.333 Tonnen weniger Treibhausgase gegenüber einer bisherigen Entsorgung.“ Das entspricht in etwa dem jährlichen CO2-Ausstoß der Bundesbürger einer deutschen Kleinstadt. „Ökologisch betrachtet ist FormaTurf auf dem richtigen Weg.“ Die Ressourcen, die zur Produktion gleichwertiger Produkte über andere Kanäle erforderlich wären, sind in diesen Berechnungen noch nicht eingeflossen.
Doch warum kann man aus altem Kunstrasen keinen neuen Kunstrasen machen? Tom Beck, Geschäftsführer der FormaTurf: „Das kann man auch machen, aber dafür benötigt man sehr viel Energie und muss einen hohen Aufwand betreiben. Zudem muss man bedenken, dass sehr wenig Material übrigbleibt, das am Ende als neues Rohmaterial verwendet werden kann. Wir haben uns deshalb bewusst für eine werkstoffliche Verwertung des Kunstrasens entschieden. Wirtschaftliche und ökologische Bilanzen zeigen, dass ein rohstoffliches (chemisches) Recycling zur Gewinnung von Kunstrasenrohmaterial keinen Sinn machen. Außerdem sparen wir durch die Herstellung neuer Bauprodukte einen hohen Anteil fossiler Ressourcen.“
Aber Nachhaltigkeit hat ihren Preis. Peter Herbig, Vertriebschef der Polytan in Deutschland: „Man muss mit einem Aufschlag von ca. zehn Prozent des gesamten Projektvolumens rechnen, wenn man sich für einen neuen Kunstrasen entscheidet und den alten bei der FormaTurf wiederverwerten lässt.“ Das ist teurer als den alten Kunstrasen zu deponieren, aber eben deutlich umweltfreundlicher und entspricht den aktuellen rechtlichen Auflagen. Die Umweltexpertin Dr. Beate Kummer spricht sich trotz der höheren Kosten für das aufwändigere Recycling aus und verweist auf die Beschlüsse der Politik und die Gesetzeslage. „Das neue Vergaberecht sieht vor, dass nicht nur wirtschaftliche, sondern auch ökologische Aspekte einbezogen werden müssen. Das gerade novellierte Kreislaufwirtschaftsgesetz sieht eine umweltfreundliche und -verträgliche Beschaffung vor. Im neuen Koalitionsvertrag der Ampel steht, dass Kommunen hier vorbildlich sein sollen. Und zuletzt das neue Klimaschutzgesetz: Es sieht vor, dass Produkte über den ganzen Lebensweg umweltverträglich und energiesparend sein sollen.“
Das betrifft damit auch neue Produkte. Ein Kunstrasen von heute muss nachhaltig sein – Zertifikate und Preis reichen nicht mehr aus. Polytan ist hier Vorreiter in der Branche. Bereits 2017 hat das Unternehmen den ersten Kunstrasen vorgestellt, der zu großen Teilen aus nachwachsenden Rohstoffen hergestellt wurde. Mit dem LigaTurf Cross GT zero wurde jüngst der weltweit erste klimaneutrale Fußballkunstrasen zertifiziert. Die neueste Entwicklung – dem LigaTurf Cross GTR – kombiniert biobasierten Polyethylen mit recycelten Rohstoffen. Damit senkt Polytan den CO2-Ausstoß und reduziert den Verbrauch von fossilen Rohstoffen.
Weitere Informationen zum Thema Kunstrasen gibt es unter www.bfv.de/polytan-info