Trotz Arm- oder Beinamputation Fußballspielen? Klingt im ersten Moment vielleicht schwer vorstellbar, ist es aber nicht. Gemeinsam mit der Organisation Anpfiff ins Leben und dem FC Español München möchte der Bayerische Fußball-Verband (BFV) fortan allen Amputierten im Freistaat die Möglichkeit geben, Teil eines Amputierten-Fußballteams zu werden und regelmäßig mit Gleichgesinnten zu kicken.
Rund neun Jahre ist es her, dass Christian Heintz bei einem Autounfall seinen rechten Unterschenkel verlor. Für den leidenschaftlichen Fußballer ein herber Schicksalsschlag. Doch noch im Krankenbett sah er einen Flyer über Amputierte, die sich in Hoffenheim zum gemeinsamen Fußballspielen treffen. Für Heintz ein Lichtblick. Die Aussicht darauf, wieder Fußballspielen zu können – wenn auch gegebenenfalls in einer etwas anderen Art und Weise –, half ihm aus einer schwierigen Phase heraus. Den Amputierten-Fußball bezeichnet der 38-Jährige deshalb selbst als seine „Eintrittskarte zurück ins Leben“.
Die Möglichkeit, Amputierten-Fußball in einer Mannschaft zu spielen, besteht in Deutschland derzeit allerdings nur bedingt. Mit Berlin, Braunschweig, Düsseldorf, Hamburg und Hoffenheim gibt es bislang nur fünf Standorte. Insbesondere durch die weiten Fahrtwege hatten Amputierte aus Bayern daher bisher kaum Gelegenheiten, an einem geregelten Trainingsbetrieb teilzunehmen. Das möchte der BFV nun ändern und allen interessierten Personen, die aufgrund einer Amputation von Arm oder Bein nicht am geregelten Vereinsfußball teilnehmen können, eine Spielmöglichkeit eröffnen – in München soll dafür ein neuer Standort für Amputierten-Fußball aufgebaut werden.
Für Frank Schweizerhof (BFV-Referent für Soziales) und den BFV ist der Bereich Inklusionsfußball eine Herzensangelegenheit: „In Bayern sollen alle Sportinteressierten die Möglichkeit haben, Fußballspielen zu können. Egal ob körperliche Beeinträchtigung oder nicht. Uns ist es sehr wichtig, dass wir für Personen mit einem besonderen Schicksalsschlag, die nicht am geregelten Trainings- und Spielbetrieb teilnehmen können, trotzdem ein tolles Sportangebot bieten können.“
Aber wie funktioniert Amputierten-Fußball eigentlich? Laut Christian Heintz von Anpfiff ins Leben lässt sich das ganz einfach zusammenfassen: „Amputierten-Fußball ist ganz normaler Fußball, nur eben für Menschen mit Amputation. Wir spielen einbeinig auf Krücken.“ Ansonsten gibt es aber nicht viele Unterschiede, denn „Sprints, Kopfbälle, Grätschen und sogar Fallrückzieher – beim Amputierten-Fußball ist alles mit dabei“.
Mit Ausnahme der Krücken, die er aber inzwischen auch schon nicht mehr wirklich wahrnimmt, fühlt sich der Amputierten-Fußball für Christian Heintz wieder genauso an wie früher. „Man kann als Team Spaß haben und Erfolge feiern, muss aber auch Niederlagen einstecken. Einfach wieder Teil einer Gemeinschaft zu sein und der Sportart nachgehen zu können, die ich Liebe: Das ist es, was den Amputierten-Fußball für mich so besonders macht.“
Im offiziellen Spielbetrieb stehen sich jeweils sechs Feldspieler*innen und eine Person im Tor gegenüber. Im Spielfeld – das nach internationalen Vorgaben die Maße 60 x 40 Meter besitzt – müssen die Akteure ihre Beinprothesen abnehmen. Gespielt wird auf Krücken und mit einem Bein. Die Person im Tor hat in der Regel noch beide Beine, muss allerdings einen amputierten Arm haben und darf den Strafraum während des Spiels nicht verlassen.
Trainiert wird wie bei einem normalen Fußballtraining. Von Dehnübungen, Ausdauer- und Koordinationstraining über Passübungen und Torschuss: Die Einheiten sind abwechslungsreich aufgebaut. Christian Heintz sieht die Einheiten beim Amputierten-Fußball „zu 90 Prozent mit den des normalen Fußballs gleich“, lediglich bestimmte „krückenspezifische Techniken“ werden zusätzlich integriert.
Zusammen mit der Organisation Anpfiff ins Leben, die sich neben vielen weiteren Tätigkeiten landesweit für die Weiterentwicklung des Amputierten-Fußballs einsetzt, wurde die Grundidee für den Standort in München gelegt. Mit dem FC Español München hat sich zudem ein Verein aus der bayerischen Landeshauptstadt gefunden, der das Projekt tatkräftig unterstützt.
Gemeinsam wurden seit September 2022 rund einmal im Monat Schnuppertage durchgeführt, bei denen bereits einige Amputierte in die Sportart hineinschnupperten. Für Michaela Ammer (Organisatorin und Integrationsbeauftragte beim FC Español München) hat der Amputierten-Fußball eine ganz besondere Bedeutung: „Die Kids, Jugendlichen und Erwachsenen haben eh schon so viele Probleme und Einschränkungen im Alltag, deshalb sollen sie zum Ausgleich eine Sportart haben, die ihnen gefällt, die sie lieben und bei der es gar nicht auffällt, dass sie beeinträchtigt sind, da sie einfach mitmachen können.“
Die bisherigen Teilnehmer*innen zeigen sich hellauf begeistert. „Einfach wieder kicken zu können und mit den Jungs hier gemeinsam Spaß zu haben, das ist eine tolle Sache“, sagt Amputierten-Fußballer Cesar Leszinski. Er appelliert an alle Amputierten: „Vorbeikommen, sofort vorbeikommen! Mitmachen, angucken und die Jungs kennenlernen. Alle sind gut drauf und ich kann es nur jedem empfehlen!“
Damit noch viele weitere interessierte Spieler*innen die Möglichkeit haben, den Amputierten-Fußball für sich zu entdecken, finden auch Anfang 2023 weitere Schnuppertage statt. Der nächste Termin ist für den 11. Februar 2023 in der SoccArena im Olympiapark in München angesetzt. Für Fragen zur Anmeldung sowie weitere Informationen stehen Organisatorin Michaela Ammer (E-Mail: ammermichaela@web.de; Tel.: +49 151 53947927) und BFV-Sozialreferent Frank Schweizerhof (E-Mail: frankschweizerhof@bfv.de; Tel.: +49 89 542770 37) zur Verfügung.
Frank Schweizerhof hofft, dass durch die Mithilfe der bayerischen Fußballfamilie zukünftig mehr Aufmerksamkeit für den Amputierten-Fußball geschaffen wird. „Wenn jemand eine Person kennt, die beispielsweise einen Arm oder ein Bein verloren hat, allerdings gar nicht weiß, dass die Möglichkeit besteht, trotzdem kicken zu können, dann weist sie bitte darauf hin!“
Weitere Informationen zum Amputierten-Fußball gibt es unter www.amputierten.fußball.de.