Es ist eine Fußballgeschichte, wie sie wohl nur auf dem Dorf passieren kann – genauer gesagt im schwäbischen Oberndorf. Die Kreisliga-Frauen des VfB sind im Heimspiel gegen die SG SV Wechingen/SG Alerheim klar auf Siegkurs. Mona Dirr hat ihre ersten beiden Saisontore erzielt und die Gastgeberinnen per Doppelpack in der 29. und 37. Spielminute in Führung geschossen, Laura Stephan legt unmittelbar nach Wiederanpfiff das 3:0 nach (46.). Alles läuft auf dem Nebenplatz der 2600-Seelen-Gemeinde 40 Kilometer nördlich von Augsburg wie geschmiert. Dann wird’s dunkel. Das Flutlicht stellt in der 60. Spielminute seine Arbeit ein, der Kick steht vor dem Abbruch.
„Wir haben noch ein wenig in der Dämmerung weitergespielt. Aber natürlich wurde es immer problematischer und dann hat auch der Schiedsrichter signalisiert, dass das Spiel bei aller Kulanz so nicht regulär zu Ende zu bringen ist“, erzählt Oberndorfs Keeperin Annika Wörl. Der sechste Saisonsieg im siebten Spiel steht für die 33-Jährige und ihre Teamkolleginnen mehr als nur auf der Kippe. Denn natürlich gilt für Ali Uzun, den Unparteiischen, das gleiche wie für alle bayerischen Schiedsrichterinnen und Schiedsrichter: Sind die Lichtverhältnisse nicht ausreichend, kann nicht (weiter-)gespielt werden.
Dann passiert das, was man gerne Improvisationstalent und Zusammenhalt nennt und so wohl nur auf dem Land möglich ist. Vor den Frauen hatte schon die Herrenmannschaft des VfB Oberndorf ihr Kreisklassenspiel ausgetragen (1:0 gegen die SpVgg Riedlingen II) und wie es sich gehört, geht niemand an so einem Vereinsfußballtag vorzeitig nach Hause. Man kennt sich, man feuert sich gegenseitig an. Und wie es sich ebenfalls gehört, ist man auf dem Dorf nicht einfach nur im Sportverein miteinander verbandelt, sondern mehrfach in Vereinen und Funktionen miteinander verwoben. Es stand also nicht nur die Herrenmannschaft zum Anfeuern am Platz, sondern in Personalunion auch der Großteil der freiwilligen Feuerwehr mit ihrem Kommandanten. Und die ist in einem Notfall selbstverständlich sofort zur Stelle. Kurze Absprache mit dem Unparteiischen und dem gegnerischen Team, dann ist klar: Wir versuchen es! Es dauert keine 20 Minuten, dann stehen die Einsatzfahrzeuge aus dem Gerätehaus am Platz und mit ihnen auch die großen Lichtmasten, mit denen üblicherweise die Einsatzorte ausgeleuchtet werden.
Ein letzter Check von Ali Uzun: Kann man gut von Tor zu Tor sehen? Blendet das grelle Licht der Feuerwehr-Beleuchtung? Nein? Gut! Wiederanpfiff, weiter geht’s! Lara Helmschrott verkürzt kurz nach der Zwangspause auf 1:3 (68.), doch dann übernehmen die Gastgeberinnen wieder das Kommando. Alina Braun per Elfmeter und Mona Dirr mit ihrem dritten Treffer besiegeln diesen ganz besonderen VfB-Heimsieg, der schon jetzt in den Sozialen Medien mit über 100.000-Aufrufen so viel Aufmerksamkeit bekommen hat, wie kein anderes Spiel des kleinen Vereins zuvor.
„Bei uns steht das Gemeinschaftserlebnis und der Zusammenhalt ganz klar vor dem sportlichen Erfolg – auch wenn wir natürlich gewinnen und auch aufsteigen wollen. Aber sowas wie dieses Spiel zeigt dann halt, dass es bei uns im Verein um mehr geht als nur Fußball spielen“, sagt Wörl, die auf dem Platz steht seit sie fünf Jahre alt war.