Wie beeinflusst das formale Lernen das Wissen von Trainer*innen und ihre tägliche Trainingspraxis? Eine experimentelle Studie hat die Auswirkungen einer kurz laufenden Trainerschulung auf das Lehrverhalten untersucht. Probanden waren acht englische Nachwuchsfußballtrainer. Fünf absolvierten eine formale Weiterbildung, drei in der Referenzgruppe nicht. Anhand von Beobachtungstools und Videoaufzeichnung von Trainingseinheiten sowie Erinnerungsinterviews wurden Änderungen in der Wissensnutzung und im Lehrverhalten der Trainer in beiden Gruppen verglichen. Das Ergebnis: Trainer schöpfen ihr Wissen aus mehreren Quellen. Formale Bildungsangebote können das Coaching-Wissen verändern, führen aber nicht notwendigerweise zu Änderungen im Verhalten in der täglichen Trainingspraxis.
Das Kompetenzprofil eines Trainers ist vielfältig. Er muss nicht nur fachliche Kompetenzen in Sachen Technik und Taktik beweisen. Erfolgreiche Trainer müssen auch darin geschult sein, wie sie den einzelnen Spieler, aber auch die Mannschaft als Team ansprechen, korrigieren und fördern.
Aber wie genau erlernen Trainer ihr Wissen? Lerntheoretisch ist diese Frage noch nicht hinreichend beantwortet. Bisherige Studien haben gezeigt, dass Trainer ihr Wissen sowohl aus Schulungen, als auch aus dem eigenen Erfahrungsschatz, den sie sich im Laufe ihrer Karriere als Athlet und als Coach angeeignet haben, schöpfen. Es gibt aber kaum robuste empirische Daten, die belegen, was gelernt wird und wie Trainer von diesen Lernerfahrungen in ihrer täglichen praktischen Arbeit profitieren. Auch ist nicht klar, wie neu erworbenes Wissen das Lehrverhalten von Trainern und ihre Lehrmethoden beeinflusst
Um diese Forschungslücke zu schließen, hat eine britische Forschungsgruppe die Auswirkungen des Lernens von Fußballtrainern in einem Langzeitversuch über einen Zeitraum von eineinhalb Jahren hinweg näher untersucht. Probanden waren acht Jugendfußballtrainer, die eine Grundausbildung des United Kingdom Coaching Certificate (UKCC) – Stufe 2 oder höher, absolviert hatten und mindestens zweimal die Woche als Nachwuchstrainer arbeiteten. Um herauszufinden, wie sich das Wissen von Trainern durch formales Lernen verändert und ob sich neu Erlerntes im Coaching niederschlägt, wurden die Probanden in zwei Teilgruppen aufgeteilt: Fünf Trainer durchliefen zu Beginn des Versuchs eine formale Weiterbildung. Die übrigen drei Trainer erhielten keine Schulung und agierten als Referenzgruppe.
Die Weiterbildung umfasste zwei Wochenenden in einem Abstand von einem Monat und bestand aus einer Mischung aus Frontalunterricht, Gruppenarbeit, Fallbeispiel-Analysen und praktischen Coaching-Übungen mit Feedback durch den Ausbilder.
Zudem haben die Schulungsteilnehmer ein Trainingslogbuch geführt, in dem sie ihre Erfahrungen bei jedem Training notiert haben. Beide Gruppen – mit und ohne Schulung – wurden über einen Zeitraum von insgesamt einem Jahr in ihrer Trainingsarbeit beobachtet. Um das Lehrverhalten vergleichen und bewerten zu können, wurden im Untersuchungszeitraum mindestens zwei Trainingseinheiten jedes Probanden gefilmt und das Material anhand des Coach Analysis and Intervention System (CAIS) ausgewertet.
In einem zweiten Schritt wurden die Versuchsteilnehmer mithilfe der Videoaufnahmen ihrer Trainingseinheiten und Erinnerungsinterviews befragt, mit dem Ziel, ein bestimmtes beobachtetes Verhalten zu erklären und herauszufinden, warum sich der Trainer zu dieser Handlung entschieden hat und inwieweit diese Entscheidung wissensbasiert war.
Die Forscher vermuten, dass durch die Schulung bei den Trainern vielmehr die bereits vorhandenen Kenntnisse aktiviert worden sind, als dass das Wissen selbst vertieft oder erweitert worden wäre.
Ein Beispiel: Die formale Weiterbildung führte dazu, dass die geschulten Trainer mehr taktisches Wissen in ihrer Trainingsarbeit anwendeten. Danach gefragt, wo sie ihr Taktikwissen erworben hätten, gaben die Trainer jedoch ganz unterschiedliche Quellen an: Manche führten das Wissen auf gesammelte Erfahrungen als Spieler und als Trainer zurück, andere auf frühere Weiterbildungen, wieder andere auf die durchgeführte Schulung zu Beginn der Studie. Diese Erkenntnis deckt sich mit bestehenden Studien, die zeigen, dass Trainer ihr Wissen aus verschiedenen Quellen – von formaler Bildung, über eigene Erfahrung bis zur Beobachtung anderer – ziehen.
Auch in anderen Trainerkompetenzen – Trainingsstruktur, Ansprache der Spieler, Feedbackstrategien und Selbstreflexion – fielen zwar über den Beobachtungszeitraum hinweg in der Gruppe der Trainer, die geschult worden waren, im Vergleich zu denen ohne Schulung, graduelle Veränderungen im theoretischen Kenntnisstand auf. Allerdings deckte die Datenanalyse eine Diskrepanz zwischen Wissen und Handeln auf: Der veränderte Kenntnisstand hat sich nicht im Lehrverhalten niedergeschlagen. Die Trainingspraxis blieb weitestgehend gleich.
Beispielsweise gaben die Trainer des Weiterbildungsprogramms nach der Schulung an, die Bedeutung und Einsatzmöglichkeiten von konvergenten und divergenten Fragen zu kennen. Die Trainerbeobachtung zeigte jedoch hingegen, dass es keine nennenswerten Änderungen im Fragetyp, der von den Trainern verwendet wurde, gab. Die Trainer waren zwar in der Lage, Wissen zu übernehmen, ohne aber verwurzelte Verhaltensweisen nachhaltig zu ändern. Das deutet nach Meinung der Forscher auf ein Fehlen von sogenanntem „tiefem Lernen“ hin.
Dieses Defizit ist einerseits Beleg dafür, dass Verhaltensänderungen in kurzen formalen Ausbildungskursen nicht ohne weiteres zu erreichen sind, argumentieren die Forscher. Andererseits aber bestätigt die Datenanalyse, dass die Schulung durchaus einen zusätzlichen "Lerneffekt" für die teilnehmenden Trainer hatte.
Für die Frage, wie Trainer lernen und erworbenes Wissen ihr Lehrverhalten beeinflusst, heißt das: Trainer lernen sowohl aus formal erworbenem Wissen als auch aus individuellem erfahrungsbasiertem Wissen, das in der Praxis gesammelt wurde. Die Ergebnisse der Studie werfen daher die Frage auf, wie die formale Trainerausbildung sinnvoll gestaltet sein muss – etwa hinsichtlich der Dauer von Schulung und dem Anwendungstransfer in die Trainingspraxis. Dass das Lernen immer wichtiger wird, zeigt auch die Reformierung des Fußball-Lehrer-Lehrgangs, mit dem Ziel, Gelerntes noch besser anwenden zu können.
Die Inhalte basieren auf der Studie "Evidencing the impact of coaches’ learning: Changes in coaching knowledge and practice over time ", die 2019 im „Journal of Sports Sciences" veröffentlicht wurde.
(Quelle: DFB)