"Große Klappe, nichts dahinter?" heißt es im (Trainer*innen-) Volksmund so schön. Doch das muss keinesfalls auf besserwisserische Kicker zutreffen. Denn häufig verfügen sie durchaus über ein gewisses Talent, das sie gerne auch mal aufblitzen lassen. Doch auf der anderen Seite ist so mancher Coach schnell genervt von zu schlauen Sprüchen, zu häufigen ungefragten Meinungen bis hin zu überheblichem, trotzigem oder besserwisserischem Verhalten, wenn diese mehr und mehr im Vordergrund stehen – und das Talent auf der Strecke bleibt. Wie also dieser besonderen Spezies von Darstellern begegnen und aus ihnen dennoch rechte Überflieger mit einem Mindestmaß an Bodenhaftung formen?
Lukas ist neun Jahre alt. Seit drei Jahren spielt er Fußball im Verein. In dieser Saison zweimal in der Woche – mal auf Asche, mal auf Kunstrasen. Lukas kam in den ersten Spielzeiten immer pünktlich und motiviert zum Training und galt bei seinen Trainern sowie im Verein als echtes Talent, wenn er auch teilweise als vorlaut auffiel. Zurzeit jedoch lässt er sich eher hängen. Umso mehr fällt er anderen ins Wort: Lukas weiß alles besser, redet gerne dazwischen oder möchte anderen Spielern erklären, was sie falsch gemacht haben, statt sich auf sich und seine eigene Leistungen zu konzentrieren.
Er kennt sich in der Fußballtheorie mindestens genauso gut aus wie in der Praxis und hat fast immer das letzte Argument auf seiner Seite. Seine Mitspieler sind davon immer häufiger genervt, sodass es zu Streitereien kommt. Das macht es natürlich schwierig, Freunde zu finden – auch die Eltern berichten von vielen Auseinandersetzungen zu Hause. Dem Trainerteam gegenüber weiß er ebenfalls vieles besser, hat häufig ein "aber" auf den Lippen und möchte gerne der Bestimmer sein. Je nach Lust und Laune zeigt Lukas sein Talent: Er ist schnell und willensstark und kann ein Spiel entscheiden. Besonders auffällig ist sein harter rechter Schuss. All das trägt er dann auch gerne zur Schau. Von den Leistungen seiner gleichaltrigen Teamgefährten ist er schnell enttäuscht, was diese auch verbal von ihm zu hören bekommen.
An guten Tagen begeistert Lukas aber die Zuschauer. Dann fällt es seinen Trainern nicht leicht, ihn auf dem Teppich zu halten. Selbst ein Profiklub aus der näheren Umgebung lud ihn zu einem Probetraining ein. Doch das intensive Training und die Leistungen anderer schreckten ihn laut Trainerteam schnell ab. In seinen Erklärungen stellte sich dieses allerdings anders dar.
Behandle den Besserwisser in deinem Team individuell. Nutze dabei die drei Grundbedürfnisse eines Menschen: Jeder möchte zu einer Gruppe gehören, in seinen Kompetenzen individuell anerkannt werden und autonom handeln können. Daraus folgt: Würdige ein*e Besserwisser*in beispielsweise in einem Gespräch in seinen Kompetenzen. Diese können sowohl im fußballerischen Bereich als auch in seinen sprachlichen Fähigkeiten oder seinem Know-how liegen.
Mache ihm klar, dass du sein Wissen sehr schätzen und biete ihm durchaus eine Bühne, auf der er sein Fachwissen zeigen kann. Dies könnte beispielsweise ein Vier-Augen-Gespräch ‘unter Trainern’ nach einer Einheit sein. Oder als festes Ritual einmal im Monat eine kurze Präsentationszeit vor dem Team. Hier können vor oder nach dem Training kleine Vorträge über Lieblingsspieler, Lieblingsteams, Technik, Taktik, gesunde Ernährung oder Fußballliteratur gehalten werden. So schaffst du als Trainer*in einen Rahmen, in dem der Kicker sein Wissen zeigen kann.
Gleichzeitig kannst du so ganz einfache Präsentationstechniken rund um Gestik, Mimik und Körpersprache eintrainieren und erhältst auf diese Weise wichtige Hinweise, wer auch neben dem Platz andere mitreißen kann bzw. über erste Führungskompetenzen verfügt. So stärkst du seine gesamte Persönlichkeit. Nicht umsonst sucht sich ein*e Besserwisser*in häufig Nischen. Das hat häufig auch mit mangelndem Selbstwert in anderen Bereichen zu tun. Stärke also seine fußballerischen Kompetenzen auf dem Platz so wie seine sozialen Kompetenzen im Team. So hat er es nicht mehr nötig, sich auf anderen Gebieten zu sehr zu zeigen.
Menschen, die andere ständig belehren und zu allem etwas sagen müssen, tun das, weil sie sich dann besser fühlen. Sie stärken dadurch ihr Selbstwertgefühl und kommen sich wichtig vor, denn sie können durch ihre Rhetorik ihr (Mehr-) Wissen kundtun – in der Regel in überheblicher Art und Weise oder auch, um andere bloßzustellen. Ihr Verhalten resultiert häufig aus einem geringen Selbstwertgefühl und Unsicherheit. Indem sie andere belehren, stärken sie ihren Selbstwert und fühlen sich sicherer. Vielleicht sind sie auch davon überzeugt, dem anderen etwas Gutes zu tun, indem sie ihn richtig informieren wollen. Im günstigsten Fall ist der Besserwisser sich überhaupt nicht bewusst, dass sein Verhalten die anderen nervt und stört.
Führe mit Lukas ein Gespräch und halte sämtliche seiner Stärken, Fähigkeiten, Talente sowie Verbesserungsmöglichkeiten fest. Formuliere positiv! Nutze beim schriftlichen Festhalten der Ergebnisse Schlagwörter oder Überschriften wie »Meine Stärken!« sowie »Was ich noch besser machen möchte!«. Biete ihm auf der einen Seite Möglichkeiten bzw. einen Rahmen, in dem sich Lukas präsentieren kann. Führe ihm auf der anderen Seite klar vor Augen, was besserwisserisches Verhalten für Folgen haben kann und wie sehr er sich und damit auch dem Team schadet.
Führe mit Lukas in regelmäßigen Abständen Gespräche über die gemachten Vereinbarungen oder betrachte gemeinsam die schriftlich fixierten Ergebnisse. Stärke seine fußballerischen Fähigkeiten sowie seine Persönlichkeit mit dem Ziel, auch in anderen, neuen Situationen, wie beispielsweise beim Probetraining in einem Profiklub, zu bestehen. Verdeutliche – falls angebracht – deinem gesamten Team die individuelle Vorgehensweise mit Lukas aufgrund seiner Fähigkeiten und Talente. Erläutere seine Sonderstellung, doch achte darauf, dass für Lukas wie für alle anderen auch die gleichen Teamregeln gelten. Handle konsequent!
Hinweis: Die Fotos in diesem Beitrag haben wir nachgestellt! Sie spiegeln keine Verhaltensweisen der abgebildeten Personen wider!
(Quelle: DFB)