Was macht die besten Trainerinnen und Trainer im Hochleistungssport so siegreich?
Hinter Weltklasseathleten und Topmannschaften, die wiederholt Titel einfahren, stehen Spitzentrainer*innen. Aber was macht sie so erfolgreich?
Eine britisch-australische Untersuchung hat 14 der erfolgreichsten Trainer aus 11 Ländern und 10 Sportarten danach befragt. Aus den Interviewdaten geht ein spezifisches Persönlichkeitsprofil und eine Beschreibung der Erfolgsfaktoren, die Spitzentrainer zu ihren Höchstleistungen motivieren, hervor. Ihre Arbeitsweise lässt sich in drei Schlagwörter fassen: Ziele, Führung und Struktur. Die Erkenntnisse der Untersuchung tragen dazu bei, die Identifikation und Auswahl von Spitzentrainern zu erleichtern.
Längst geht es im Hochleistungsfußball nicht mehr nur einfach um ein „Spiel“. Erfolgreiche Trainer sind heute Spiel-Strategen, Manager und Psychologen. Sie müssen das Maximum aus ihren Athleten herausholen und sie zum Sieg führen. Sie sind Leistungsträger, die auf der Bühne der internationalen und nationalen Wettbewerbe unter enormen Erfolgsdruck stehen. Doch was zeichnet diese Erfolgstrainer aus? Welche Charaktereigenschaften haben sie, wie arbeiten sie, was motiviert sie und wie wurden sie so erfolgreich?
Diesen Fragen ist eine australisch-britische Studie erstmals auf den Grund gegangen. Weil der Trainer-Beruf eine vergleichsweise junge Profession und die notwendigen Qualifikationen noch kaum empirisch untersucht sind, ist wenig über die Professionalisierungswege bekannt. Meist zählen bei der Einstellung von neuen Trainern deren bisherige sportliche Erfolge und weniger ihre berufliche Ausbildung. Häufig ist die Auswahl unsystematisch und basiert lediglich auf subjektiven Einschätzungen. Zugleich ist das Profifußballgeschäft schnelllebig: Selbst angesehene Trainer müssen um ihren Job fürchten, wenn sie nicht regelmäßig Titel holen und werden häufig noch während der Saison oder kurz vor ihrem Ende entlassen. Mit enormen Kosten für die Vereine. In Australien wurden laut eines Sprechers der Australian Football League in den letzten fünf Jahren 31 Fußballtrainer vorzeitig entlassen – mit Abfindungssummen von insgesamt knapp 11 Millionen australischen Dollar.
Die Studienautoren machen für diese Entwicklung auch mangelndes Forschungswissen verantwortlich. Zu wenig weiß man darüber, wie Organisationen bessere Entscheidungen bei der Auswahl, der Einstellung und der Entwicklung von Hochleistungstrainern treffen können. Um diese Lücke zu schließen, geht die Studie dem Menschenbild von erfolgreichen Trainern nach.
Die Studienautoren haben 14 der erfolgreichsten Trainer der Welt (128 olympische Goldmedaillen) aus 11 Ländern und 10 Sportarten (darunter 5 Mannschaftssportarten) interviewt und die Datensätze mit Aussagen ihrer betreuten Athlet*innen ergänzt. Thematisch wurden die Trainer über ihren Lebensweg, tägliche Routinen, Meilensteine in der persönlichen Entwicklung sowie zentralen Herausforderungen befragt und verschiedene Persönlichkeitsdimensionen (Fünf-Faktoren-Modell: Aufgeschlossenheit, Perfektionismus, Extraversion, Verträglichkeit, Neurotizismus (emotionale Labilität)) erfasst.
Im Vergleich mit anderen Erwachsenen zeigen die befragten Trainer nach Auswertung der Selbstauskünfte ein deutliches Charaktereigenschaften-Profil: Sie sind Optimisten, die ihre Arbeit lieben, können ihre Gefühle und Emotionen kontrollieren (Impulskontrolle) und sind „Macher“, fokussiert auf die gesetzte Zielstellung. Sie haben eine klare Vorstellung davon, was sie erreichen wollen und bringen dafür den nötigen Willen und Arbeitseifer mit. Generell können sie gut mit Stress umgehen und sind problemlösungsorientiert statt über Herausforderungen nachzudenken. Das Persönlichkeitsprofil der analysierten Trainer hat auch gezeigt, dass sie anregende Diskussionen mit Kolleg*innen schätzen und sich ständig weiterbilden, um Neues zu lernen. Darüber hinaus sind sie selbstsichere Entscheidungsträger und sehen sich häufig als Leader, die ihre Mitmenschen für eine Sache gewinnen können. Schließlich sind die befragten Trainer klar leistungsorientiert und kanalisieren ihre Anstrengungen so, dass sie der Entwicklung und dem Erfolg ihrer Athlet*innen zugutekommen und/oder der Förderung ihrer eigenen Bedürfnisse und Anerkennung als Coach dienen.
Aus den Interviews mit Trainern und Athlet*innen ergaben sich drei Kernthemen, die Erfolgstrainer auszeichnen: Sie setzen Ziele, sehen das große Ganze, verstehen die Komplexität und sind fähig, sie in handhabbare Bausteine einzuteilen und Strategien für ihre Umsetzung zu entwickeln. Zudem setzen sie auf Führung und vermitteln Mitarbeitern wie Athlet*innen den für die erfolgreiche Umsetzung notwendigen Glauben an ihn, an sich selbst und an das Team. Schließlich schaffen sie die dafür notwendigen Strukturen (siehe nächste Abbildung).
Was ein*e Erfolgstrainer*in dafür mitbringen muss, ist ein hohes Maß an emotionaler Intelligenz, um anbahnende Probleme vorausschauend erkennen zu können, frühzeitig Lösungen zu finden und um sich im Umgang mit anderen und im Konfliktmanagement an Mitarbeiter und Athleten anpassen zu können. Der Umgang mit hohem Druck, verfestigten Hierarchien und unvorhergesehenen Entwicklungen erfordert Widerstandsfähigkeit und eine ausgeglichene Work-Life-Balance. Um mit dem hochkomplexen dynamischen Setting zurecht zu kommen und zugleich seine Ziele zu erreichen, bezeichnen viele Erfolgstrainer ihren Führungsstil als kollaborativ. Interessanterweise beschreiben die ebenfalls danach befragten Athlet*innen ihre Trainer als „gute Diktatoren“, die zwar zuhören, aber letztlich das Sagen haben.
Weitere wichtige Grundsteine für die Trainer-Karriere sind: Im Elternhaus geprägte Vorstellungen zur Arbeitseinstellung, lebenslangem Lernen und frühem Bestreben Coachen zu wollen.
Die meisten der befragten Trainer waren selbst Leistungssportler. Acht von 14 hatten internationales Niveau, fünf waren auf nationalen Ebenen aktiv. Nur einer hatte keine Sportlerkarriere hinter sich (das Verhältnis aus Sportlerkarriere vs. keine Sportlerkarriere bei weniger erfolgreichen Trainern war nicht Gegenstand der Untersuchung). Die meisten sahen diese persönliche Vorerfahrung nicht als notwendig, aber doch hilfreich an, um sich in die Athlet*innen besser hinein zu versetzen, das nötige Fachwissen aufzubauen, bei ihren Athlet*innen glaubwürdiger erscheinen zu können.
Um den Posten als Cheftrainer richtig zu besetzen, gilt es bei der Personalsuche den Menschen hinter dem Trainer besser zu verstehen und ihre Persönlichkeit zu kennen. Nur so lassen sich potenzielle Spitzentrainer identifizieren, auswählen und entwickeln.
Die Inhalte basieren auf der Studie "Serial winning coaches: people, vision, and environment.”, die 2016 im "Sport and Exercise Psychology Research" veröffentlicht wurde.
(Quelle: DFB)