Auch wenn für den Großteil der Mannschaften mit dem letzten Spieltag die Saison tatsächlich vorbei ist – in jeder Liga gibt es noch Teams, für die wichtige Entscheidungsspiele anstehen: Kreis- und Verbandspokalfinale, Relegationsspiele, Endspiele um den Auf- bzw. gegen den Abstieg. All diese Duelle verlangen Trainer*innen und ihren Teams eine Menge ab und unangenehme Entscheidungen müssen getroffen werden. Wir zeigen, was es zu beachten gilt.
Gerade in Duellen, bei denen im Vorfeld klar ist, wer als Favorit und wer als "Underdog" gehandelt wird, stellt sich für den "Underdog" die Frage, ob er seinem Stil treu bleiben oder sich für die einmalige Chance auf Erfolg dem Gegner anpassen will. Besonders präsent ist diese Frage beispielsweise in Relegationsspielen, wo das klassenniedrigere Team in seiner Liga zwar dominant war, nun aber auf einen Gegner trifft, der wortwörtlich in einer anderen Liga spielt.
Identifiziert sich die Mannschaft mit ihrem eigentlich von Dominanz geprägten Spielstil, kann es schnell zu Unmut kommen, wenn Trainer*innen das Team plötzlich mit einem defensiv-reaktiven Matchplan konfrontieren. Suche also schon in den Wochen vor dem Duell den Dialog mit deinen Führungsspieler*innen und höre in die Mannschaft rein! Was traut sich das Team zu? Wie mutig und motiviert sind die Spieler*innen? Lässt sich vielleicht ein Kompromiss schließen, der letztlich dafür sorgt, dass alle an einem Strang ziehen?
Bedingungslos dem eigenen Stil treu zu bleiben, zeugt von maximalem Vertrauen in die eigene Mannschaft und die gemeinsame Spielidee. Die Spieler*innen werden selbstbewusst in die Partie gehen und viel investieren, um das Vertrauen zurückzuzahlen. Aber Achtung: Dabei kann es auch schnell dazu kommen, dass die Mannschaft "überpaced" und den Gegner dadurch ins Spiel bringt. Egal, wie lange das Team gut dagegenhält – ein kleiner Fehler reicht, um in Rückstand zu geraten und das Selbstvertrauen zu brechen.
Sich dem Gegner anzupassen, vermittelt der Mannschaft Sicherheit durch akribische Vorbereitung. Zeige die Stärken und Schwächen des Gegners sachlich auf und erkläre ruhig euren Plan, damit umzugehen. Die Gefahr lauert jedoch in einer gewissen Passivität, die sich in solchen Fällen gerne einschleicht. Lässt sich das Team tief hinten reindrängen und schafft es nicht, hin und wieder entlastende Konter zu fahren, so können schnell Zweifel an den eigenen Fähigkeiten und dem vorgestellten Matchplan entstehen.
Wenn klar ist, welcher grundlegende Ansatz verfolgt werden soll, drehen sich die Gedanken um die Kaderzusammenstellung und vor allem um die Entscheidung über die Startelf. Besonders im Senior*innen-Bereich eilt eine Frage allen weiteren voraus: Setze ich auf Erfahrung oder lasse ich die jungen unbelasteten Spieler*innen ran?
Gerade in Duellen mit Endspielcharakter rücken Argumente wie Trainingsbeteiligung und aktuelle Form gerne mal in den Hintergrund – schließlich gibt es nur dieses eine Spiel über 90 Minuten, nur eine Chance zu gewinnen. Belohnt man da den/die Nachwuchsspieler*in, der/die sich in den letzten Wochen toll entwickelt hat oder lässt man doch den/die erfahrene*n Knipser*in ran, der/die wegen der Arbeit zuletzt häufiger mal gefehlt hat, aber immer für einen Treffer gut ist?
Erfahrene Spieler*innen strahlen Sicherheit aus und sind in der Regel konstanter in ihren Leistungen. Sie können besser mit Druck umgehen und verstehen es, das restliche Team zu "erden" und zu motivieren. Allerdings besteht durchaus die Gefahr, dass der/die betreffende Spieler*in gewissermaßen "satt" ist und eine geringere Motivation als das restliche Team mitbringt. Kann er/sie das erforderliche Laufpensum beispielsweise nicht erfüllen, wird das gesamte Team darunter leiden und für ihn/sie mitlaufen müssen, was wertvolle Energie kostet.
Hast du Nachwuchsspieler*innen im Team, die sich während der Saison stetig verbessert und ihren Teil zum guten Verlauf beigetragen haben, so werden sie sich sicherlich berechtigte Hoffnungen auf einen Einsatz im "wichtigsten Spiel der Saison" machen. Vertraust du ihnen einen Platz in der Startelf an, kannst du sicher sein, dass sie ihn um jeden Preis und mit einer engagierten Leistung rechtfertigen wollen. Gleichzeitig lastet auf ihnen ein besonderer Druck, wenn sie dafür einen Platzhirsch aus der Startelf verdrängt haben. Jeder Fehler könnte zu zunehmender Nervosität und weiteren Fehlern führen.
Der Matchplan steht, die Aufstellung auch. Jetzt geht es in die Kabine und die letzten motivierenden Worte müssen gesprochen werden. Du als Trainer*in kennst dein Team natürlich besser als jeder andere. Wie gehen die Spieler*innen mit Druck um? Was motiviert sie am meisten? Brauchen sie einen freien Kopf oder müssen sie auf die einmalige Chance aufmerksam gemacht werden? Auch hier bietet sich natürlich der Vorabdialog mit dem Team an, um mögliche Ängste und Bedenken aufzudecken und in Erfahrung zu bringen, wer für das Endspiel nochmal einen besonderen Motivationsschub benötigt.
Wer ein Endspiel als "Bonusspiel" verkauft, entlastet seine Mannschaft im Vorfeld und kann so einen freien Kopf begünstigen. Häufig schwingt mit, dass sich das Team dieses Spiel durch eine gute Saison verdient hat und dieser damit nun die Krone aufsetzt. Als Trainer*in ist das die Möglichkeit, seinem/ihrem Team Respekt zu zollen und sich für eine gelungene Spielzeit zu bedanken. Andererseits läuft man damit schnell Gefahr, den Eindruck zu wecken, dass man selbst gar nicht so wirklich an einen möglichen Erfolg glaubt und das Spiel herschenkt, bevor es überhaupt angepfiffen wurde.
Machst du deiner Mannschaft klar, dass die anstehende Partie eine einmalige Chance ist, so übst du natürlich automatisch zusätzlichen Druck aus. Versuche, diesen Druck so positiv wie möglich zu halten und immer wieder dein Vertrauen in die Mannschaft zu untermauern. Schließlich musst du authentisch "verkaufen", dass diese einmalige Chance nicht nur besteht, sondern auch tatsächlich realistisch ergriffen werden kann. Tust du das nicht, werden die Spieler*innen zusätzliche Angst vor Fehlern entwickeln und nervös werden anstatt Selbstvertrauen zu tanken.
Die Endspiele der Vergangenheit zeigen, dass es nicht den einen richtigen Weg gibt. Während auf dem einen Platz der "Underdog" durch sein mutiges Auftreten den Anspruch an das eigene Spiel untermauert und den Favoriten in die Schranken weist, wird zur gleichen Zeit irgendwo anders ein weiterer "Underdog" für ebendiese Herangehensweise gnadenlos bestraft. Im Idealfall findest du gemeinsam mit deinem Team einen Weg, auf dem ihr phasenweise mutig für Überraschungsmomente sorgt, ohne dadurch die defensive Stabilität aufzugeben.
Auch bei der Auswahl der Spieler*innen gibt es nicht die eine Patentlösung, die Erfolg garantiert. Hat im letzten Jahr noch der/die Top-Nachwuchsspieler*in mit einem tollen Sprint in letzter Minute für die Überraschung gesorgt, so kann es in diesem Jahr sein, dass der/die erfahrene Knipser*in als letzte Aktion den Eckball in der Nachspielzeit zum Sieg in die Maschen nickt!
In jedem Team gibt es Nachwuchsspieler*innen, die Anspruch auf einen Platz in der Startelf erheben und solche, die vielleicht sogar froh darüber sind, die Verantwortung an ältere Spieler*innen abgeben zu können. Deshalb gilt auch hier: Kommuniziere offen und frühzeitig und finde die richtige Balance!
Und auch bei der Mannschaftsansprache dreht sich alles um die "Goldene Mitte". Während ein Teil eurer Mannschaft den Druck vielleicht sogar braucht und förmlich danach verlangt, werden andere Spieler*innen im Team drohen unter ihm zu brechen. Mache deine Ansprüche und Ambitionen deutlich, aber erinnere dich daran, dass die Bühne der Mannschaft gehört, die sich dieses Spiel mit konstant guten Leistungen verdient hat. Zolle dem Team Anerkennung für die bisherige Leistung und mache es auf die tolle Möglichkeit aufmerksam, aber vermeide es einen potenziell negativen Ausgang an Konsequenzen zu knüpfen. Natürlich ist es ein wichtiges Spiel, vielleicht sogar das wichtigste der Saison. Aber es bleibt ein Spiel und niemand verliert mit Absicht.