Wenn Sportler*innen nicht viel von den „Coaching-Künsten“ ihrer Trainer*innen halten, dann birgt das Konfliktpotential.
Den Zusammenhang zwischen der von den Spieler*innen wahrgenommenen Coaching-Kompetenz und Teamkonflikten im Profifußball haben Sportwissenschaftler erstmals untersucht. Den Ergebnissen ihres mehrstufigen Analysemodells (individuelle und Teamebene) zufolge geht eine als hoch empfundene Coaching-Kompetenz in den meisten Fällen mit einem reduzierten Konfliktlevel einher. So steht beispielsweise eine hohe Ausprägung der Dimensionen Spielstrategie und Persönlichkeitsentwicklung mit geringeren zwischenmenschlichen Aufgabenkonflikten über eine Saison hinweg in Zusammenhang.
In einer Fußballmannschaft treffen die unterschiedlichsten Charaktere aufeinander. Das macht mitunter eine gute Mannschaft aus – wenn der Trainer es schafft, die Stärken jedes Einzelnen zu fördern und aus allen Individualisten eine erfolgreiche Einheit zu formen. Früher oder später kann es aber in jeder noch so gut funktionierenden Mannschaft auf individueller oder Gruppenebene zu Konflikten kommen, deren Ursachen ganz unterschiedlich sein können. Einzelne Spieler sind z. B. unzufrieden mit ihrer aktuellen Rolle im Team. Oder es bilden sich „Grüppchen“, die Stimmung gegen andere Mitspieler machen bzw. gegen vereinbarte Teamregeln verstoßen. In anderen Fällen kann im zwischenmenschlichen Bereich die Trainer-Spieler-Beziehung gestört sein.
Der Trainer ist häufig die Schlüsselfigur, wenn es um Konflikte in Mannschaftssportarten geht. Auf der einen Seite kann sein Verhalten Ursache eines Konflikts sein, auf der anderen Seite trägt sein Verhalten entscheidend dazu bei, wie die Mannschaft mit Konflikten umgeht und ob Konfliktherde frühzeitig eingedämmt werden können. Wissenschaftlich gut untersucht ist der Zusammenhang zwischen dem Verhalten des Trainers und dem Aufkommen von Teamkonflikten. Studien konnten zeigen, dass es einen Zusammenhang zwischen positivem Verhalten von Trainern auf der einen Seite und Spieler-Zufriedenheit, Mannschaftszusammenhalt und sportlicher Leistung auf der anderen Seite gibt. Die Sportler, die sehr zufrieden mit ihrer eigenen Leistungsentwicklung sind, bewerten Führungsstil und Verhalten des Trainers hinsichtlich folgender Faktoren überdurchschnittlich höher ein: Positives Feedback, soziale Unterstützung, Training, Instruktionen und demokratisches Verhalten. Umgekehrt kann ein Trainer, der ein unglaubwürdiges Verhalten und einen übermäßig autokratischen Führungsstil an den Tag legt, Widerstände und Konflikte in der Mannschaft auslösen. Auch sehr unentschlossen handelnde Trainer können dazu führen, dass in Mannschaften ein Konflikt aufflammt.
Bei der Ursachenforschung von Konflikten im Mannschaftssport ist ein Aspekt bisher gänzlich außer Acht gelassen worden: die Coaching-Kompetenz. Gibt es einen Zusammenhang zwischen der Coaching-Kompetenz, wie die Spieler sie wahrnehmen, und Konflikten im Team?
Unter Coaching-Kompetenz versteht man die von den Sportlern wahrgenommene Fähigkeit des Trainers, auf das Lernen und die Leistung der Sportler während des Trainings und dem Wettkampf einzuwirken. Der Begriff der Coaching-Kompetenz lässt sich anhand von fünf Dimensionen beschreiben:
Damit ist die Kompetenz des Trainers gemeint, positiv auf die psychische Stimmung und die Fähigkeiten der Spieler einzuwirken.
Die Kompetenz des Trainers, die Spieler in geeigneter und planvoller Weise durch Wettkämpfe zu führen.
Die Kompetenz des Trainers, passende Anweisungen zu geben und Fehleranalysen zu stellen.
Die Kompetenz des Trainers, die persönliche Entwicklung und Einstellung der Spieler positiv zu beeinflussen.
Die Fähigkeit des Trainers, die Spieler physisch, technisch und taktisch optimal auf die Wettbewerbe vorzubereiten und ihre sportartspezifische Leistungsfähigkeit zu entwickeln.
Teamkonflikte können sich negativ auf das Wohlergehen des Einzelnen, auf den Mannschaftszusammenhalt und insgesamt auf die Leistung auswirken. Dabei unterscheidet man zwei verschiedene Dimensionen von Konflikten:
Es gibt Uneinigkeit zwischen Gruppenmitgliedern über den auszuführenden Aufgabeninhalt, weil unterschiedliche Standpunkte, Ideen und Meinungen bestehen.
Es gibt persönliche Unvereinbarkeiten zwischen den Gruppenmitgliedern, was typischerweise zu Spannungen, Ärger und Feindseligkeit zwischen den Mitgliedern einer Gruppe führt.
Da die Leistung einer Mannschaft in hohem Maße vom Trainer-Spieler-Verhältnis, der Kommunikation, der Fachexpertise und der Erfahrung eines Trainers abhängen, ist es wichtig, wie die Sportler die Coaching-Kompetenz wahrnehmen.
Die Wahrnehmung des Coachings von Seiten der Spieler nimmt auch in der analysierten Studie eine besondere Rolle ein. Zum ersten Mal überhaupt wurde wissenschaftlich untersucht, ob und wie die von den Spielern wahrgenommene Coaching-Kompetenz mit Konflikten in Zusammenhang steht. Über 300 Profifußballer (18 Teams) der zweiten spanischen Liga sowie Profifußballerinnen (13 Teams) der ersten spanischen Liga wurden jeweils zum Saisonstart, im Saisonverlauf und zum Abschluss der Saison befragt, wie sie die aktuelle Coaching-Kompetenz und das Maß an Teamkonflikten einschätzten. Die wahrgenommene Coaching-Kompetenz sowie die Häufigkeit von Teamkonflikten ermittelten die Forscher anhand von anonymen Fragebögen. Bei der Datenanalyse unterschieden die Forscher zwischen der individuellen und der Teamebene und betrachteten die jeweiligen Dimensionen im zeitlichen Verlauf der Saison.
Die Art und Weise, wie Spieler die Kompetenz des Trainers wahrnehmen, sagt etwas darüber aus, ob Konflikte zu erwarten sind oder nicht. Die in der Studie gemessenen Werte für Teamkonflikte schwankten während der Saison, stiegen aber im Saisonverlauf insgesamt deutlich an. Auf individueller Ebene korrelierte eine hohe Spielstrategie- und Persönlichkeitsentwicklungskompetenz des Trainers über die gesamte Saison hinweg mit geringeren Aufgaben- und Beziehungskonflikten. Wenn die Spieler also spüren, dass ihr Trainer sie in geeigneter Weise durch die Wettkämpfe zu führen vermag und einen respektvollen Umgang gegenüber anderen Spielern zeigt, wird das zwischenmenschliche Miteinander gefördert und das Coaching wertgeschätzt. Die Folge: Beziehungs- und Aufgabenkonfliktherde sind minimiert. Die Forscher fanden außerdem einen starken Zusammenhang zwischen der Motivations- und Fachkompetenz des Trainers und Beziehungskonflikten auf individueller Ebene. Das bedeutet: Spieler, die ihren Trainer hinsichtlich seiner Motivationskünste und Fachexpertise als sehr kompetent empfinden, nehmen auch weniger Konflikte auf der zwischenmenschlichen Ebene wahr. Das Vertrauen in den Trainer und das Wahrnehmen hoher Coaching-Kompetenz spielen also eine wichtige Rolle dabei, gute emotionale Beziehungen zwischen Trainer und Spieler zu erhalten.
Spieler, die Mannschaften angehörten, die das Coaching hinsichtlich Motivations- und Spielstrategiekompetenz sehr hoch bewerteten, spürten kaum Aufgabenkonflikte innerhalb des Teams. Mit anderen Worten: Wenn Trainer es verstehen, das Team – auch im Training – stets aufs Neue zu motivieren und für Wettkämpfe geeignete taktische Maßnahmen sowie ein adäquates Spielsystem zu wählen, kommen Aufgabenkonflikten so gut wie nicht auf bzw. werden nicht wahrgenommen. Auch die Persönlichkeitsentwicklungskompetenz beim Coaching sollte in Bezug auf Konfliktpotentiale nicht außer Acht gelassen werden. Den Studienergebnissen zufolge korrelierten zur Mitte der Saison und am Saisonende die von den Teams wahrgenommene Persönlichkeitsentwicklungskompetenz sowohl mit Aufgaben- als auch mit Beziehungskonflikten. Die Forscher interpretieren dies so: Diejenigen Teams, die ihren Trainer dafür geeignet halten, die Persönlichkeit der Spieler positiv zu entwickeln, schafften es über die gesamte Saison hinweg, das Aufflammen von Konfliktherden zu unterdrücken.Zur Mitte der Saison und am Saisonende nahmen die Spieler vermehrt Beziehungskonflikte wahr. Dies könnte sich durch den Umstand erklären lassen, dass sich zwischenmenschliche Beziehungen in einer Gruppe erst nach und nach entwickeln, vor allem wenn neue Spieler zur Mannschaft stoßen. Ebenso könnte sich, gerade am Ende einer Saison, das Verfehlen des Saisonziels, eine geringe Spielzeit oder bereits feststehende Transfers negativ auf die Beziehung zwischen den Spielern auswirken.
Einige Ergebnisse überraschten die Forscher. Zum Beispiel nahmen Mannschaften, die dem Trainer eine hohe Methodenkompetenz zugestanden, gleichzeitig einen Anstieg bei Aufgabenkonflikten im Team wahr. Wie ist ein solches Ergebnis, das den bisherigen Befunden scheinbar zuwiderläuft, zu erklären? Die Forscher können nur spekulieren: Trainer, die eine überdurchschnittlich hohe Methodenkompetenz und eine klare Vorstellung des Spiels besitzen, neigen dazu, auch in komplexen Spielsituationen ständig Fehler zu korrigieren und eine bestimmte Spielidee durchsetzen zu wollen. Auf diese Weise wird den Spielern selbst nur wenig Eigenständigkeit zugestanden, was Unzufriedenheit und Aufgabenkonflikte heraufbeschwören kann.
Auch wenn die Studie nur Korrelationen zwischen einzelnen Dimensionen der Coaching-Kompetenz und Teamkonflikten und keine direkten Kausalzusammenhänge zulässt, so legt sie doch den Schluss nahe, dass jede der genannten Coaching-Kompetenz-Dimensionen wichtig ist, um Konflikte im Team zu minimieren. Trainer und Sportpsychologen, die um den Zusammenhang zwischen Coaching-Verhalten und Teamkonflikten im Saisonverlauf wissen, sind möglicherweise eher in der Lage, im Konfliktfall geeignete Gegenmaßnahmen zu treffen. Da Teamkonflikte in der Regel die Entwicklung und die Leistungsfähigkeit der Mannschaft negativ beeinflussen, könnten die Trainer ihr Coaching-Verhalten gegebenenfalls verändern bzw. anpassen, um Konfliktherde rechtzeitig einzudämmen.
Die Inhalte basieren auf der Originalstudie "Athletes’ perceptions of coaching competency and team conflict in sport teams: A multilevel analysis", die 2018 im "European Journal of Sport Science" veröffentlicht wurde.
(Quelle: DFB)