Das neue Jahr hat begonnen. Ich fahre nach Irsee. Das Tagungs- und Bildungszentrum des Bezirks Schwaben, untergebracht in einem ehemaligen Allgäuer Benediktinerkloster, ist ein imposanter Bau. Dort trifft sich Mitte Januar traditionell der BFV-Bezirk Schwaben zur jährlichen Mitarbeitertagung. Ich bin immer gerne nach Irsee gefahren, weil man dort die Gelegenheit hat, die Menschen kennenzulernen, die hinter der Arbeit für den Fußball stehen, - als Spielleiter zum Beispiel auch einmal mit einem Einteiler ins Gespräch zu kommen, mit dem man sonst das ganze Jahr nur telefoniert - aber auch um Weichen zu stellen für den Fußball im kommenden Jahr.
Heute bietet mir der sonst wegen seiner Möglichkeit zum ausgedehnten und geselligen nächtlichen Gedankenaustausch berühmt-berüchtigte Klosterkeller die Gelegenheit, mich mit unserem frisch gebackenen Bezirksjugendleiter – er ist seit 1. Januar im Amt – zu unterhalten.
Paul Reitzle ist seit langem ein Augsburger. Selbst gebürtig aus einem kleinen Dorf mit 200 Einwohnern in der Nähe von Weißenhorn, - so erzählt er mir mit Bedauern - hat er nie aktiv im Verein Fußball gespielt. Ganz einfach, weil es in seinem Heimatort keinen Verein gab. Die vier Jungs in seinem Alter organisierten ihre Fußballspiele selber. Das änderte aber nichts daran, dass er seine Leidenschaft für den Fußball bewahrte, später in der Betriebsmannschaft spielte und dann, als Familienvater, mit seinem Sohn zum Training ging. So landete er beim TSV Schwaben Augsburg, trainierte das Team, in dem sein Sohn spielte, war schließlich zwischen 1997 und 2003 sechs Jahre Jugendleiter bei den Lila-Weißen, die damals (ohne die Mädchen) 15 Mannschaften im Spielbetrieb hatten. Seit 2015 ist Paul Reitzle Mitglied des FC Augsburg.
Der 65-Jährige ist in Schwaben kein Unbekannter, er hat im Jugendkreis Augsburg bereits 16 Jahre als Spielleiter die A- und B-Junioren bis zur Kreisklasse betreut. Von 2012 an musste er drei Jahre krankheitsbedingt eine Ehrenamtspause einlegen, kam aber 2015 wieder. Mir fallen Parallelen zu meiner eigenen Entwicklung auf, ich musste ungefähr um dieselbe Zeit, wenn auch aus anderen Gründen, ebenfalls vorübergehend dem Ehrenamt ade sagen. Aber was einen überzeugten Fußballfunktionär kennzeichnet, sind halt die Freude an der Arbeit und ein langer Atem!
So kam Paul Reitzle wieder in sein angestammtes Amt des Jugendspielleiters …und fiel im November 2022 aus allen Wolken. … Er, der eigentlich nie etwas anderes gewollte hatte als seine Spielleitertätigkeit, der nie „höhere Weihen“ in der Hierarchie des Fußballs angestrebt hatte und der mit der Arbeit an der Fußball-Basis eins geworden war, wurde mehr oder weniger aus heiterem Himmel anlässlich eines Stammtisches des Jugendkreises Augsburg von seinem Kreisjugendleiter Oskar Dankesreiter angesprochen, ob er sich nicht vorstellen könne, Bezirksjugendleiter zu werden. Er lacht: „Da kamen zu dieser Zeit ein paar anstehende Urlaubstage gerade richtig!“ Man konnte nachdenken, Argumente abwägen und sich ohne Druck entscheiden.
Man muss schon zugeben, dass nur das Leben solche Stories schreiben kann. Hintergrund der personellen Überlegungen war nämlich eine Verkettung von unvorhersehbaren und nie erwarteten Umständen: Kurz nach seiner Wahl zum Kreisjugendleiter Donau, war Holger Ardelt im April 2022 gestorben. Ein Nachfolger war aufgrund des großen Engagements und des Respekts vor seiner Arbeit nicht gefunden worden. So unterbreitete Bezirksjugendleiter Kris Streiber seiner Bezirksvorsitzenden Sabrina Hüttmann den Vorschlag, das Amt im Kreis Donau selbst zu übernehmen, was die Suche nach einer Neubesetzung im Bezirk verursachte.
Und so sagte Paul Reitzle – nach seinem Urlaub und einem Gespräch mit BV Hüttmann und dem ehemaligen BJL Helmut Brandmayr - zu, eine restlos positive Entscheidung für den Fußballbezirk Schwaben! Der neue Bezirksjugendleiter bringt reiche Erfahrung mit, kennt die Szene ausgezeichnet und kann auf die Kollegen in der Jugend zählen. Sein Vor-Vorgänger, Helmut Brandmayr, der bis zum Bezirkstag 2022 im Amt war, ist für ihn nach eigenen Aussagen „eine Bank“! Hier laufen die Informationswege störungsfrei. Ich frage nach, was Paul Reitzle letztlich zu dieser Zusage veranlasst hat und bekomme mit seiner Antwort gleich den Eindruck echter Freude mitgeliefert: „Es ist etwas Neues und Spannendes, es ist richtig interessant, es macht Spaß und ich freue mich darauf!“
Dass er die nötigen Voraussetzungen nicht nur aus Erfahrungen schöpft, habe ich im Lauf des Gesprächs bereits verstanden. Paul ist jetzt ein „Jung-Rentner“ und hatte in seinem Beruf als Banker ein Team von 30 Leuten zu betreuen. Da kann man sich unschwer vorstellen, dass er geschult ist im Kontakt mit Menschen, bewandert in der Mitarbeiterführung, kundig in digitaler Hinsicht und ausgebildet, was Organisation, Problemlösungen und auch Konfliktmanagement anbelangt. Er bezeichnet sich selbst als „extrem organisiert, was seine Zeiteinteilung anbelangt“ und versteht sein Hobby als die Freizeitbeschäftigung, der er auch im Urlaub gerne nachgeht. „Andere lesen Bücher“ ich hab‘ Spaß an meinem Ehrenamt,“ so sein unmissverständliches Statement.
Es gefällt mir besonders gut, dass unser Bezirksjugendleiter von Anfang an feste, klare Ziele für seinen Arbeitsbereich hat. Er will den Minifußball jetzt umsetzen: „Drei Jahre Planung, Vorstellung und Information sind abgeschlossen. Jetzt wollen wir beginnen!“ Es glaubt, dass die Vereine gut mit den Veränderungen umgehen können, denn sie haben in Kooperation mit dem BFV schon mehrere anspruchsvolle Änderungen wie die Fairplay-Liga, den Futsal oder den Spielbetrieb der D-Jugend auf verkürztes Feld realisiert. Seine weiteren Ziele sind ein funktionierender Flex-Spielbetrieb als Mittel gegen den Spielermangel, Konzepte mit Ideen zur Mitarbeitergewinnung in Vereinen und Verband und das Finden von Wegen gegen die zunehmende Gewalt auf unseren Plätzen, das natürlich besonders im Jugendbereich. Für alle diese Punkte hat er auch schon Ideen und Visionen, die er mit seinem Ausschuss natürlich zuerst besprechen will.
Als ich Paul Reitzle am nächsten Tag im Anschluss an die Sitzung des Bezirksjugendausschusses nach wichtigen Inhalten für den Pressebericht frage, wirkt er sicher und gelöst. Er hat die Feuertaufe professionell hinter sich gebracht. Jetzt kann er sich ein Bierchen genehmigen. In Irsee … im Klosterkeller … so wie es sich für einen schwäbischen Funktionär gehört!