Mein heutiger Interviewpartner hat mir den Weg abgenommen und ist für das „Gespräch mit Gabi Ott“ zu mir nach Hause gekommen. Als er mit einer kleinen Tüte in der Hand auf mich zukommt, erkenne ich sofort, dass sein Gespür als Gentleman wohl weitaus ausgereifter ist als meine hausfraulichen Fähigkeiten es je sein werden. Er hat nämlich die süßen Teilchen zum Kaffee gleich selbst mitgebracht! In Ermangelung hauseigener Backwaren seitens der Gastgeberin eine wohl nicht nur vorausschauende, sondern auch bemerkenswerte Idee!
Ich kenne Günther Brenner schon seit zehn Jahren. 2013 wurde er im Münchener GOP-Theater als Landessieger mit dem Bayerischen Ehrenamtspreis ausgezeichnet, im Jahr danach konnte ihn der Fußballbezirk Schwaben für das Amt des Bezirks-Ehrenamtsreferenten gewinnen, seitdem ist er in dieser Funktion Mitglied des Bezirksausschusses. 2022 würdigte der Bayerische Innenminister Joachim Hermann seine Arbeit mit der „Ehrenmedaille für besondere Verdienste um den Sport in Bayern“.
Auf meine erste Frage wie er zum Fußball gekommen sei, erhalte ich eine für mich überraschende Antwort. Begonnen hat die fußballerische Laufbahn des 71-Jährigen nämlich ziemlich spät. Er war schon 16 Jahre alt, als die Eltern nach seinem Realschulabschluss endlich mit dem aktiven Fußball einverstanden waren. Man merkt, dass er diese Zeit noch ganz genau in Erinnerung hat: „Mein erstes Spiel hab‘ ich damals für die A-Jugend meines Heimatvereins SV Scheppach in Neumünster gemacht und dann war ich ein halbes Jahr krank.“ Allerdings nicht krank, weil er beim Fußball verletzt worden war; er hatte sich eine ernste innere Erkrankung eingefangen, an der er monatelang laborierte. Später kickte er im Reserveteam des SV Scheppach, war Betreuer der ersten und zweiten Mannschaft, mit 17 Jahren bereits Schriftführer und Chronist des Vereins.
In den frühen 80er Jahren kam für unseren Westschwaben eine Zeit des Umbruchs. Der Finanzbeamte erfüllte sich einen lang gehegten Wunsch, wagte den beruflichen Wechsel und ging als Kämmerer der Gemeinde Jettingen in die Verwaltung, wo er fast vier Jahrzehnte tätig war. Er heiratete, 1982 kam die erste seiner drei Töchter auf die Welt, er baute in Jettingen und wechselte mit dem Umzug auch den Verein.
Ich muss herzlich lachen, als er seine aktive Laufbahn beim VfR Jettingen beschreibt: „Ich glaube, ich bin der einzige Fußballer, der von sich behaupten kann, dass er in seinen Pflichtspielen im Verein ungeschlagen geblieben ist! … Ich hab‘ nämlich nur zwei Partien für die Jettinger Reserve gemacht, einmal haben wir 4:1 gewonnen und einmal unentschieden gespielt.“
Das heißt aber nicht, dass er sonst untätig war. Die Eltern seiner Frau betrieben nämlich das Café in Jettingen, die Stammkneipe der Fußballer. Günther half dort am Abend aus und war so immer mitten drin, sozusagen an vorderster Front. Bald war er ohne Funktion beim VfR im Hintergrund tätig, war zuständig für Sponsoring und Bandenwerbung, arbeitete an Chroniken und Jubiläumsausgaben.
Seine dienstliche Tätigkeit und die damit verbundene Vernetzung waren für den Familienvater natürlich auch im Verein förderlich. Trotzdem war es sein erklärtes Ziel, Beruf und Hobby streng auseinander zu halten. Er war morgens, in der Mittagspause und abends für seine Fußballer erreichbar, im Büro nicht. Mit einem verschmitzten Lächeln erklärt er: „Deswegen war ich auch einer der letzten Tiefenentspannten, die noch kein Handy hatten.“
Doch die Szene und die Leute kannte er. Und so war es möglich, dass zum 70-jährigen Vereinsjubiläum im Jahr 1993 der Club zum Freundschaftsspiel in Jettingen auflief. Eine großartige Sache, die aber hohe Anforderungen an das Organisationsteam stellte, auch in finanzieller Hinsicht. Doch mit Motivation, im Gleichklang mit den richtigen Menschen, Geschick und etwas Glück wurde der Traum wahr.
Im Jahr 2005, mehr als zwei Jahrzehnte waren seit Brenners Umzug nach Jettingen vergangen - am Jettinger Sportgelände war kräftig gearbeitet worden, es gab drei Plätze und ein schmuckes Sportheim, ein ansprechendes Sportzentrum war entstanden - wurde Günther Brenner zum 1. Vorsitzenden des VfR Jettingen gewählt. Er nahm sich damals vor, das von seinen Vorgängern Geschaffene mit Leben zu füllen. Diesen Plan hat er erfolgreich in die Tat umgesetzt. Neben dem alltäglichen „Geschäft“ eines Fußballvereins, Ligaspielen, Auf- und Abstieg, der Arbeit für die Jugend und in den einzelnen Abteilungen, folgten „große“ Spiele, viermal kam der FC Augsburg, auch der KSC gab ein Gastspiel im Mindel-Tal. „Anlässlich dieses Spiels wurde Martin Max von Markus Weinzierl entdeckt, was Weinzierl später in einem Interview auch bestätigte,“ so der Organisator, der sich an die Benefiz-Spiele zugunsten von „Ärzte ohne Grenzen“, der „Kartei der Not“ oder des Helmut-Haller-Denkmals gut erinnert.
Tja, und dann geschah etwas, womit niemand gerechnet hatte. Günther Brenner sagt heute, dass dieses Erlebnis sein schönstes in den vielen Jahren mit dem Fußball war. Es war ein Faschingsdienstag, in Jettingen saß man zusammen, aß, trank, freute sich über den Fasching, wie beim Ping-Pong folgte ein Wort auf das andere und plötzlich war in der geselligen Runde eine für den damals angesprochenen Unternehmer schon wirklich reichlich verwegen-freche Idee geboren: „Du könntest uns doch eigentlich eine Tribüne finanzieren!“ Wer hätte auch gedacht, dass auf den in die fröhliche Karnevalsstimmung hineingesprochenen Impuls eine denkwürdige Antwort folgte: „Ja, das mach ich!“ Ein Mann, ein Wort und versprochen ist versprochen! Der Unternehmer übernahm die Kosten einer Stahlbau-Tribüne für 500 Zuschauer, 2010 wurde sie eingeweiht und damit der Grundstein gelegt für eine Aufwertung des Sportgeländes. In der Saison 2011/12 folgte der Aufstieg in die Bezirksliga.
Daran hat der damalige Vorstand seine ganz persönlichen Erinnerungen. Einige Wochen zuvor, als es schien, der Traum werde wahr, hatte er unvorsichtiger Weise zu den Spielern gesagt: „Ihr wenn aufsteigt, dann laufe ich zu Fuß von Vesperbild nach Jettingen!“ (Anmerkung der Redaktion: Das sind 23 km!) Selbstverständlich galten auch hier die oben schon erwähnten Weisheiten. Und so begab sich Günther Brenner auf besagte „fröhliche Wallfahrt“, nicht ohne zuvor anlässlich eines beruflichen Lehrgangs in Holzkirchen heimlich trainiert zu haben. Das wussten seine Mannen allerdings nicht und bestaunten den „blasenfreien Fußball-Pilger“.
In diese Zeit fiel 2014 auch die beruflich-freundschaftliche Verbindung mit dem ehemaligen Vorsitzenden des schwäbischen Bezirks-Sportgerichts, Helmut Schmid, der ihn schließlich von einer Funktionärstätigkeit beim BFV überzeugte. Unser BEAR gibt unumwunden zu, dass er sich damals - zwei Jahre vor dem Renteneintritt mit 64 – Gedanken machte zum Thema „Lerne langsam, nichts zu sein!“ Er war davon überzeugt, dass es auch im Rentenalter aktiv weitergehen sollte und machte sich auf zu „Neuen Ufern“. Seither arbeitet er – innovativ, sehr erfolgreich und hoch angesehen – in unserem Bezirksausschuss; daneben war er bis 2019 in Jettingen als Vorstand tätig.
Dass diese Personalunion wirklich noch fünf Jahre andauerte, ging eigentlich auf das Konto seiner Frau Claudia. „Sie hat mich über die ganzen Jahre stets unterstützt und mich immer weitsichtig beraten,“ ist er ihr dafür sehr dankbar. Denn Claudia Brenner hatte dieselbe Einstellung wie ihr Mann: So viele Menschen haben so viel Zeit in die positive Weiterentwicklung des Vereins gesteckt, da müssen alle Weichen richtig gestellt sein, wenn eine neue Vorstandschaft zu arbeiten beginnt. Und so ist es auch gekommen. Der Berufstätigkeit der nächsten Generation wurde Rechnung getragen, es wurde das Amt eines dritten Vorsitzenden installiert, Leute, bei denen die Chemie und der Informationsfluss stimmt, und die sich in ihren Fähigkeiten und Talenten ergänzen, wurden gesucht und gefunden, es ging reibungslos weiter und Günther Brenner ist vollauf zufrieden mit seinem Nachfolger beim VfR Jettingen, Karsten Hahn.
Positiv sieht er auch die Entwicklung des Ehrenamts. Er stellt fest, dass das Interesse der Vereine an Ehrungen gestiegen ist, dass der Gedanke der Wertschätzung für die Menschen, die im Verein ehrenamtlich arbeiten, an der Basis angekommen ist. Dafür hat er gekämpft, gerade deswegen, weil er selbst auf diesem Gebiet zweischneidige Erfahrungen gesammelt hat. Die Freude ist ihm anzumerken, als er von einem Fotobuch erzählt, das ihm überreicht wurde, als er das Amt des Vorsitzenden beim VfR Jettingen nach 15 Jahren zur Verfügung stellte: „Diese Art der Anerkennung ist unbezahlbar!“
Als ich ihn nach 90 Minuten angeregten Gesprächs noch um ein kurzes Statement zu „Günther Brenner und seine Zeit mit und für den Fußball“ bitte, bringt er es in unübertrefflicher Weise kurz und knackig auf den Punkt und dieser Botschaft ist auch nichts hinzu zu fügen: „Nichts bereut!“