Am linken Ufer der Vils, 35 Autominuten vor den Toren Passaus, ist die Welt noch in Ordnung. Klar, auf den ersten Blick hat der RSV Walchsing schon bessere Tage gesehen. 2002 spielte der heute knapp 300 Mitglieder starke Klub aus dem Aldersbacher Ortsteil in der damaligen Bezirksoberliga. Das ist lange her, aber sie erzählen heute noch gerne davon, der Stolz schwingt in jedem einzelnen Satz mit, ist unüberhörbar. Geschichten eben, die der Amateurfußball für die Unendlichkeit schreibt. Andreas Spiegl (34) war damals 17, hatte noch nicht einmal einen Führerschein – aber er steht heute mit seinen drei Vorstandskollegen Daniel Voggenreiter, Franz Miedl und Gust Moser sowie dem Jugendkoordinator Florian Stampflmeier dafür, dass der Verein intakt ist. Es zählt hier längst weit mehr als die erste Mannschaft. Aber auch die ist erfolgreich, klopft als aktueller Spitzenreiter der A-Klasse Vilshofen ans Tor zur Kreisklasse.
Der Verein ist zweifelsfrei fit für die Zukunft, erst vor zwei Jahren hat er sich eine neue, zeitgemäße Struktur gegeben: vier Vorstände mit klarer Ressortverantwortung (Spielbetrieb, Finanzen, Öffentlichkeit & Veranstaltungen, Jugend), weil – wie es Spiegl sagt – „wir so kürzere Entscheidungswege haben und sich Experten mit den relevanten Themen intensiver beschäftigen können“. In jedem Satz schwingt Herzblut mit und genau deshalb sorgen sie sich in Walchsing auch ein wenig um die Zukunft. Der Verein ist Teil ihres Lebens, eine tragende Säule für die Gemeinschaft. „Bei den Herren haben wir keine Probleme, es sind genügend Spieler da“, sagt Moser, beim Nachwuchs drückt der Schuh allerdings. So braucht es bisweilen vier Vereine, um eine Spielgemeinschaft zu bilden. Der gesellschaftliche Wandel, des geänderte Freizeitverhalten, die große Mobilität auch auf dem Lande und die Veränderungen in den Schulen machen auch vor Walchsing nicht Halt.
Es sind Probleme, die viele Klubs im ländlichen Bereich Bayerns vor große Herausforderungen stellen, und in Walchsing wollen sie wissen, wie der Verband mit diesen Themen umgeht: Der RSV hat die Spitze des Bayerischen Fußball-Verbandes (BFV) zum Vereinsdialog eingeladen. „Wir machen uns die gleichen Sorgen – und das nicht erst seit heute. Wir erarbeiten Modelle, die uns die Zukunft sichern und die möglichst garantieren, dass unsere Vereine auch künftig attraktiv bleiben. Wir haben Angebote, diese müssen aber noch deutlich besser genutzt werden. Zuvorderst geht es darum, dass diese Möglichkeiten auch bekannt sind, das müssen wir weiter forcieren und kommunizieren“, verdeutlicht BFV-Präsident Rainer Koch, der gemeinsam mit Niederbayerns Bezirksvorsitzendem Harald Haase, dem Kreisvorsitzenden Christian Bernkopf sowie Verbands-Jugendleiter Florian Weißmann, U-30-Vorstandsmitglied Tobias Bracht und Geschäftsführer Jürgen Igelspacher ins Vereinsheim gekommen ist.
Drei Stunden wird sich intensiv ausgetauscht: über den besseren Zugang der Vereine zu Grundschulen und Kindergärten, veränderte Spielformen im Nachwuchs, die Verschiebung der Altersgrenzen oder den Einsatz von A-Junioren im Herrenbereich. Aber auch die Schiedsrichtergewinnung. „Von einigen Angeboten – wie etwa den Ballhelden für die Grundschulen oder der Ausbildung speziell von Lehrerinnen durch den BFV – wussten wir gar nichts“, sagt Spiegl: „Von daher ist es für uns zum einen eine enorme Wertschätzung, dass wir diesen Dialog hier zusammen mit den Entscheidern des BFV führen können. Oftmals wird voreilig und pauschal geurteilt. Auch das sind wohl die Zeichen der Zeit. Wer sich aber intensiver mit der Thematik und dem Handeln des BFV auseinandersetzt, wird schnell feststellen, dass nach Lösungen gesucht wird und auch schon einiges am Laufen ist. Das gilt es zu unterstützen, aber eben auch Bedenken anzumelden, wenn wir als Vereine glauben, dass die Richtung die falsche ist. Es geht schließlich nur zusammen.“
Und beim RSV Walchsing haben sie an diesem Abend vieles mitgenommen, was sie beim Blick in die Zukunft durchaus hoffnungsfroh stimmt: „Die Eltern unserer Kinder müssen den Mehrwert, den wir zweifelsfrei bieten, auch auf den ersten Blick erkennen und klar feststellen, dass es sinnvoll ist, ihr Kind zu uns zu bringen“, sagt Spiegl, der durchaus auch eigene Defizite ausmacht, „wenn ich an den Schiedsrichtermangel denke, auch hier fehlen uns zwei Leute. Asche auf unser Haupt, denn Schiedsrichter gehören genauso dazu wie Spieler.“ Aber auch hier hat der BFV beim Vereinsdialog Möglichkeiten eröffnet, die Vakanzen zu besetzen.
Der Vereinsdialog in Walchsing hat vor der Absetzung des Spielbetriebs in Bayern bis mindestens 19. April 2020 zur Eindämmung der Corona-Infektionen stattgefunden.