Drei Punkte Vorsprung statt drei Zähler Rückstand auf die Spitze: Waren die Würzburger Kickers vor genau einem Jahr zur Winterpause in der Regionalliga Bayern noch der hartnäckigste Verfolger des späteren Meisters und Drittliga-Aufsteigers SpVgg Unterhaching, hat die Mannschaft von Trainer Marco Wildersinn in der laufenden Spielzeit 2023/2024 selbst die Rolle des Gejagten inne. Auf einen Ausrutscher des Tabellenführers lauert der erste Verfolger DJK Vilzing, der nach jeweils 21 absolvierten Begegnungen mit aktuell 50 Punkten nur drei Zähler hinter dem Ligaprimus rangiert.
Bislang haben die Würzburger, die in der Saison 2014/2015 schon einmal über die Aufstiegsspiele den Sprung von der höchsten bayerischen Spielklasse in die 3. Liga geschafft hatten, der Konkurrenz allerdings wenig angeboten. In jeder ihrer 21 Partien holten die Kickers bislang etwas Zählbares, gleich 16-mal die volle Punktzahl. Lediglich Auftaktgegner und Aufsteiger FC Memmingen (0:0), der TSV Aubstadt (1:1), der SV Viktoria Aschaffenburg (1:1), der SV Schalding-Heining (2:2) und die U23 des FC Bayern München (1:1) konnten dem Spitzenreiter jeweils ein Remis abtrotzen.
„Wir sind als Team gereift und stabiler geworden“, lobte Trainer Marco Wildersinn im BFV.de-Interview sein Team. „Die ganz hohen Siege sind im Vergleich zur letzten Saison ausgeblieben. Dafür gewinnen wir aber mehr Spiele. Besonders zum Ende einer Partie lassen wir nichts mehr zu und erzielen oft die entscheidenden Tore.“
Zwei späte Treffer machen in der Tabelle auch den Unterschied zur DJK Vilzing aus. Im direkten Duell hatten Daniel Hägele (81.) und Saliou Sané (90.+1) die Würzburger noch spät jubeln lassen und für einen 3:1-Auswärtserfolg der Unterfranken gesorgt. Bei der DJK Vilzing sind die Verantwortlichen mit dem aktuellen Abschneiden – zur Marke von 51 Punkten aus der Vorsaison als Aufsteiger fehlt nur noch ein Zähler – dennoch absolut zufrieden. „Die Mannschaft hat im Vergleich zum letzten Jahr noch einmal einen enormen Entwicklungsschritt gemacht. Die Jungs wissen jetzt, wie in der Regionalliga Fußball gespielt wird“, zog Trainer Josef Eibl im BFV.de-Gespräch den Vergleich.
Die mögliche Teilnahme an den Aufstiegsspielen zur 3. Liga gegen den Vertreter der Regionalliga Nord kommt für die DJK Vilzing wegen der Strukturen und Rahmenbedingungen des Vereins laut eigener Aussage zumindest vorerst nicht in Frage. „Bei uns sind alle Spieler noch berufstätig und müssen mit Entbehrungen klarkommen“, betont Erfolgstrainer Eibl. „Die Familien müssen teilweise hintanstehen, die Wochenenden sind kaputt und Urlaub ist selten möglich. Die Jungs werden auf der Arbeit und im Training stark gefordert. Es ist schwer, mit Mannschaften mitzuhalten, die unter Profibedingungen trainieren. Aber das macht den Reiz gerade aus.“
Fakt ist: Im Rennen um den Titel (und damit auch um die Teilnahme am DFB-Pokal-Wettbewerb als „Bayerischer Amateurmeister“) kann die DJK Vilzing auf jeden Fall weiter mitmischen. Eventuell gibt es am 34. und letzten Spieltag in Würzburg (Samstag, 18. Mai) sogar ein „Endspiel“, wenn die beiden derzeitigen Spitzenteams erneut aufeinandertreffen.
Dass noch ein Team in den derzeitigen Zweikampf um die Tabellenführung eingreifen kann, ist derweil unwahrscheinlich. Türkgücü München und der TSV Aubstadt haben zwar eine Partie weniger absolviert als das Spitzenduo, stehen allerdings mit 13 Punkten Rückstand auf Würzburg keinesfalls in Schlagdistanz.
Noch dazu plagen den ehemaligen Drittligisten aus München, derzeit punktgleich mit dem TSV Aubstadt auf Platz 4, ganz andere Sorgen. Die Münchner wurden mit einer Spielwertung und einem Punktverlust bestraft. Das Sportgericht Bayern des Bayerischen Fußball-Verbandes (BFV) hat in seinem Urteil Mitte Januar entschieden, dass die Partie vom 13. Spieltag der Regionalliga Bayern zwischen dem 1. FC Nürnberg II und Türkgücü München (1:1) nachträglich mit 2:0 für die Club-Reserve gewertet wird. Der Grund: Der Klub aus der bayerischen Landeshauptstadt hatte in besagter Partie zwei Akteure, für die zum statuarisch verankerten Stichtag keine Nachweise über die Abgabe der Sozialversicherungsbeiträge beim BFV erbracht worden waren, unzulässig eingesetzt. Im Anschluss an diese Meldung hatte Geschäftsleiter und Teammanager Oktay Kaya seinen Rücktritt erklärt. Auch Cheftrainer Alper Kayabunar hält sich seine Zukunft weiter offen. Türkgücü München geht indes schweren Zeiten entgegen, während der TSV Aubstadt mit dem dritten Platz aktuell mehr als zufrieden sein dürfte.
Auch hinter den „Top vier“ ist der Abstand zum breitgefächerten Mittelfeld bereits deutlich gewachsen. Der fünftplatzierte 1. FC Schweinfurt 05 hat noch einmal sieben Punkte weniger auf dem Konto als der aktuell viertplatzierte Türkgücü München nach dem Punktabzug. Von Platz 13 in der Tabelle (SV Wacker Burghausen) trennen die Nullfünfer dagegen nur acht Zähler. Den Abstand nach oben könnte allerdings die U23 des FC Bayern München noch um einiges kleiner werden lassen. Der Nachwuchs des deutschen Rekordmeisters hat erst 18 Partien bestritten und damit noch „Nachholbedarf“. Das volle Pensum von 22 Begegnungen haben bislang nur der FV Illertissen, die SpVgg Bayreuth, der SV Wacker Burghausen und der FC Memmingen absolviert.
Direkt hinter dem FC Bayern München II (29 Punkte) beginnt wohl das Feld der Teams, die sich einer weiteren Saison in der Regionalliga Bayern noch längst nicht sicher sein können. Auf die zweite Mannschaft der SpVgg Greuther Fürth (21 Zähler) und den FC Eintracht Bamberg (19) – und damit auf die beiden Abstiegsrelegationsplätze – weisen der 1. FC Nürnberg II (29 Punkte), die SpVgg Bayreuth (27), die SpVgg Ansbach (26), der SV Viktoria Aschaffenburg (25), der SV Wacker Burghausen (25) und vor allem der SV Schalding-Heining (22) noch kein allzu komfortables Polster auf die Abstiegszone auf. Der FC Memmingen (14) und Schlusslicht TSV Buchbach (10) müssen dagegen im neuen Jahr schon eine erhebliche Aufholjagd starten, um nicht den Gang in die Bayernliga antreten zu müssen.
Drei Trainerwechsel an einem Tag: Beachtliche 15 der 18 Vereine haben bis zur Winterpause auf die Trainer vertraut, die auch schon zu Saisonbeginn im Amt waren. Kurios: Der SV Wacker Burghausen, der FC Memmingen und der TSV Buchbach entschieden sich im Kampf um den Klassenverbleib nicht nur innerhalb eines Tages (18. September 2023) für einen Trainerwechsel, sondern beförderten auch jeweils ihren bisherigen Co-Trainer. In Burghausen folgte Robert Berg auf Hannes Sigurdsson, beim FC Memmingen lösten die vorherigen Assistenten Bernd Maier und Candy Decker Aufstiegstrainer Stephan Baierl ab. Das Duo ist aber bereits wieder Geschichte: Zum Jahreswechsel nahm der abstiegsgefährdete FC Memmingen noch einmal einen Trainerwechsel vor und tauschte Bernd Maier gegen U19-Trainer Matthias Günes aus. Beim Tabellenschlusslicht TSV Buchbach beendete Regionalliga-Rekordspieler Aleksandro Petrovic seine aktive Laufbahn (als spielender Co-Trainer), um die Nachfolge des freigestellten Alex Käs anzutreten. Einen Sonderfall gab es bei der SpVgg Ansbach: Hier stand bereits vor der Saison fest, dass Cheftrainer Christoph Hasselmeier nach der Hinrunde auf die Position des Sportlichen Leiters wechseln und Assistent Niklas Reutelhuber in die erste Reihe befördert werden soll. Der Wechsel wurde Anfang November vollzogen.
Heim- und Auswärtsbilanz: In der Gesamtwertung führen die Würzburger Kickers, in der Heimtabelle ist der frühere Zweitligist allerdings nicht ganz oben zu finden. Gleich vier seiner insgesamt fünf Unentschieden erzielte der Ligaprimus vor eigenem Publikum (22 Zähler). Alle anderen Klubs sind zu Hause schon mindestens einmal leer ausgegangen. Der TSV Aubstadt (28), die DJK Vilzing (27) sowie der 1. FC Schweinfurt 05 und der FV Illertissen (beide 23) holten dennoch mehr Punkte als der Tabellenführer. Auswärts kommt dagegen kein Ligakonkurrent auch nur annähernd an die Kickers-Ausbeute heran. Hier sammelte das Wildersinn-Team 31 von 33 möglichen Zählern. Wie im Gesamtklassement folgen auch hier die DJK Vilzing und Türkgücü München (jeweils 23) auf den weiteren Plätzen.
Erfolgreichste Offensive und Defensive: Das bekannte Sprichwort „die Offensive gewinnt Spiele, die Defensive gewinnt Meisterschaften“ könnte sich unter Umständen am Saisonende bewahrheiten. Mehr als die 54 Treffer der DJK Vilzing konnte zwar kein anderes Team erzielen, der zweitbeste Wert von 48 Toren reichte den Würzburger Kickers aber in Verbindung mit den wenigsten Gegentreffern (14), um insgesamt drei Punkte mehr zu holen. Gleich zehnmal spielte der Tabellenführer zu Null. Das gelang nur dem TSV Aubstadt (elf) noch häufiger. In Maximilian Weisbäcker (zwölf Einsätze) und dem zuletzt vorgezogenen Vladyslav Vertey (acht Partien) waren zwei verschiedene Torhüter der Grabfelder am Ligabestwert beteiligt.
Kania auf Anhieb Top-Torjäger: 15 Treffer nach 18 Einsätzen – mit dieser Ausbeute hat sich Julian Kania aus der zweiten Mannschaft des 1. FC Nürnberg zur Winterpause an die Spitze der Torjägerliste geschossen. Der 22-jährige Angreifer war erst im Sommer aus der Bayernliga Süd vom TSV Schwaben Augsburg zum „Club“ gewechselt und kam auf Anhieb in der neuen Spielklasse zurecht. Auch für die Profis des FCN kam Kania bereits zum Einsatz. Diesen Weg könnte vielleicht auch sein U23-Teamkollege Pedro Eliot Narciso Muteba einschlagen. Mit zwölf Treffern kommt der 20-Jährige auf den zweitbesten Wert, den er sich allerdings mit Ricky Bornschein von der zweiten Mannschaft des Lokalrivalen SpVgg Greuther Fürth sowie Saliou Sané vom Tabellenführer FC Würzburger Kickers teilt.
Neun Treffer in Augsburg und München: Zumindest einer der beiden Nürnberger Torgaranten war auch am Spiel mit den meisten Treffern unmittelbar beteiligt. Kania steuerte am 20. Spieltag zwei Treffer für sein Team im Nachwuchsduell beim FC Augsburg II (4:5) bei. Trotz der zwischenzeitlichen 4:2-Führung hatten die Nürnberger am Ende noch das Nachsehen. Ebenso torreich war es schon drei Wochen zuvor beim 6:3 der zweiten Mannschaft des FC Bayern München gegen den FC Eintracht Bamberg zugegangen. Schon bis zur Pause hatten die beiden Doppeltorschützen Dion Berisha (9./36.) und Timo Kern (18./34.) für einen komfortablen 4:0-Vorsprung gesorgt. In der zweiten Halbzeit legten Lucas Copado (50.) und der eingewechselte Taichi Fukui (77.) noch zwei Tore nach. Die Gäste aus Bamberg gestalteten das Ergebnis in der Schlussphase durch Treffer der beiden Joker Philipp Hack (73./78.) und Muiz Alli (80.) noch deutlich erträglicher.
Tore, Tore, Tore: In den bisher ausgetragenen 187 Partien fielen insgesamt 599 Treffer, was einem Schnitt von 3,203 Toren pro Spiel entspricht. Die deutlichsten Siege (jeweils 5:0) landeten der FC Augsburg II (gegen Aubstadt), der 1. FC Schweinfurt 05 (in Vilzing), der TSV Aubstadt (gegen Schweinfurt), die DJK Vilzing und die Würzburger Kickers (jeweils in Memmingen) sowie die SpVgg Ansbach (gegen Buchbach) und der SV Schalding-Heining (gegen Ansbach).
Fair geht vor: Als einziges Team kam Spitzenreiter FC Würzburger Kickers bis zur Winterpause ohne Platzverweis aus. Auch die Anzahl der Gelben Karten (33) wird von keiner anderen Mannschaft unterboten. Schon fünf Feldverweise (viermal Gelb-Rot, einmal Rot) musste dagegen der FC Memmingen hinnehmen. Je viermal traf es Spieler des FC Eintracht Bamberg, des FV Illertissen (jeweils dreimal Rot/einmal Gelb-Rot) und des SV Viktoria Aschaffenburg (zwei/zwei), der außerdem auch die meisten Verwarnungen (58) sammelte. Mit Kevin Frisorger (FV Illertissen), Jim-Patrick Müller (DJK Vilzing) und Ben Fischer (1. FC Nürnberg II) sahen drei Spieler schon zweimal Rot. Jeweils eine Rote und eine Gelb-Rote Karte kassierten Aschaffenburgs Kapitän Benjamin Baier und David Bauer vom FC Memmingen. Ex-Profi Baier musste dazu auch noch eine Gelbsperre absitzen.
Mintal wechselt Mintal ein: Erfolgreichster Joker bis zur Winterpause war der erst seit wenigen Tagen 19 Jahre alte Jakub Mintal, der bei der SpVgg Bayreuth von seinem Vater und Trainer Marek Mintal zehnmal eingewechselt wurde und dabei fünf Torbeteiligungen (drei Treffer, zwei Assists) verzeichnete. Ebenfalls auf drei Joker-Tore kamen Stefan Maderer (Türkgücü München), Regionalliga-Rekordtorjäger Adam Jabiri (1. FC Schweinfurt 05) und Hannes Pöschl (FV Illertissen). Insgesamt durften Türkgücü München, der TSV Aubstadt und der FC Eintracht Bamberg jeweils sieben Treffer von Einwechselspielern bejubeln.
FC Bayern II zieht Zuschauer*innen an: Auch in der Zuschauertabelle belegt Spitzenreiter FC Würzburger Kickers mit einem Schnitt von 2.469 Fans pro Heimspiel Platz eins. Knapp dahinter folgt die SpVgg Bayreuth (2.284). Ebenfalls noch vierstellige Werte verzeichneten der 1. FC Schweinfurt 05 (1.505) und die DJK Vilzing (1.209), die damit zu ihren Heimspielen mehr als doppelt so viele Besucher*innen mobilisiert, wie der Ort Einwohner*innen hat. Den mit Abstand höchsten Wert gab es beim unterfränkischen Duell zwischen dem 1. FC Schweinfurt 05 und den FC Würzburger Kickers, bei dem 4.853 Fans den 2:0-Auswärtserfolg der Kickers sahen. Besonders bemerkenswert: In der „Top 8“ der am besten besuchten Partien sind gleich vier Auswärtspartien des FC Bayern München II vertreten. In Würzburg (4.125), Bayreuth (3.949), Schweinfurt (3.736) und Vilzing (2.500) sorgte der Nachwuchs des deutschen Rekordmeisters jeweils für große Kulissen.
Der Ausblick: Offiziell wird der Spielbetrieb in der Regionalliga Bayern am Wochenende des 1. und 2. März 2024 mit dem 23. Spieltag fortgesetzt. Allerdings dürften noch einige Nachholspiele vor dem regulären Restrundenstart angesetzt werden. Bereits jetzt steht fest, dass die Partie vom 14. Spieltag zwischen dem SV Viktoria Aschaffenburg und der U23 des FC Bayern München am Samstag, 24. Februar 2024, ab 14 Uhr stattfinden soll. Insgesamt stehen elf Nachholpartien aus. Die weiteren Terminierungen werden demnächst durch den Bayerischen Fußball-Verband (BFV) erfolgen.
BFV/mspw