Disclaimer: Folgender Text und dessen Inhalte sind keine medizinische Indikation. Solltest du an einer Verletzung leiden, dann wende dich bitte zunächst an medizinisches Fachpersonal, bevor du beispielhaft genannte Übungen ausführst. Der folgende Text entstand in Kooperation mit B42.
Die Leiste gehört zu den häufigsten Problembereichen im Fußball. Egal in welcher Liga, egal in welchem Alter – die Leiste zwickt bei vielen Spieler*innen.
Auch das fast 1000 Seiten lange Buch „Return to Play in Football“ beschäftigt sich mit dieser Thematik. Es gibt sogar noch weitere, feingliedrigere Auseinandersetzungen mit der Leiste im Fußball. Das Feld ist dermaßen interessant, da Leistenverletzungen häufig multifaktorielle Risikofaktoren zugrunde liegen. Sprich, mehrere einzelne Faktoren hängen zusammen und wirken wechselseitig aufeinander ein.
Auch Nationalspieler wie Jerome Boateng und Marco Reus haben eine lange Leidensgeschichte mit Leistenbeschwerden.
Im Vordergrund stehen dabei meist „muskuläre Probleme im Adduktorenbereich“.
Bei genauerer Betrachtung wird deutlich, dass die Spieler nicht unterschiedlicher gebaut sein könnten. Hier der Hüne Boateng mit ca. 90 kg Masse und 1,92 m Höhe, dort die Rakete Reus mit 71 kg bei 1,80 m. Beide leiden jedoch häufig unter denselben Problemen.
Wir sehen also, dass ein einfacher Wirkungsgrund für Leistenbeschwerden nicht in der Anatomie gefunden werden kann. Das Beispiel soll verdeutlichen, wie multifaktoriell Leistenbeschwerden in der Praxis sind.
Hauptmuskelgruppe in der Leiste sind die sogenannten Adduktoren. In ihrer isoliertesten Funktion ziehen sie die Knie zusammen. Funktionell betrachtet, stabilisieren sie aber die Beinachse, ermöglichen komplexe Bewegungen der Hüfte und des gesamten Unterkörpers.
Entsprechend sind sie im Fußball eine stark beanspruchte Körperregion, da Laufen, Springen, Sprinten, Richtungswechsel, Passen und Schießen alle die Adduktoren beanspruchen. Manchmal beidseitig, manchmal nur einseitig – was es nochmal komplexer macht.
Bei vielen Bewegungen wirkt ein Mehrfaches des Körpergewichts auf die Adduktoren.
Kein Wunder also, dass laut einer Erhebung der UEFA 64% der Hüft- und Leistenverletzungen auf die Adduktoren entfallen. Untergliedert werden sie in drei Kategorien:
Wer jetzt aber glaubt, die Adduktoren seien sehr fragil, der irrt sich. Weit gefehlt!
Sie sind wahre Kraftpakete. Dennoch treten häufig Verletzungen auf – gerade im Fußball. Wie kann das also sein?
Wie alle Muskeln im Körper, passen sich die Adduktoren an Belastungen an. Die eigentliche Frage lautet daher:
Ab wann ist es zu viel?
Kommen zu den starken Belastungen noch ungünstige Bedingungen, also Risikofaktoren, kann es eben dann zu Verletzungen kommen. Risikofaktoren bei den Adduktoren sind:
Es wird direkt offensichtlich: Viele der Risikofaktoren sind steuerbar.
Laut Ekstrand et al (2011) gibt es einen starken Zusammenhang zwischen verminderter Kraft und Beweglichkeit in der Hüfte und der Häufigkeit zurückliegender Adduktorenverletzungen. Er identifiziert diesen Risikofaktor als DEN Risikofaktor schlechthin.
Das Gute daran ist, dass es genau hierfür spezifisches Training gibt.
Aus den drei Kategorien der Leistenverletzungen behandeln wir im Folgenden nur noch die Zerrungen und in kleinen Teilen die Tendinopathie.
Zerrungen im Adduktorenbereich führen im Schnitt zu Ausfallzeiten zwischen vier und sechs Wochen. Tendinopathieren können sogar bis zu neun Monate Ausfallzeit nach sich ziehen.
Beide Verletzungen unterscheiden sich. Unbehandelte Zerrungen können aber in Tendinopathien münden.
Zwar helfen Belastungspausen bei beiden Verletzungen, es gilt aber als gesichert, dass bei früherer Rückkehr in Belastung (von sehr wenig Belastung zu fußballspezifischer Belastung) die Ausfallzeit verringert werden kann.
Wie auch bei Achillessehnenverletzungen und dem Schienbeinkantensyndrom spielen „Load Management“ (also die Belastungssteuerung) und „Pain Monitoring“ (also dem Erfassen von Schmerzen) eine zentrale Rolle.
Darunter verstehen wir die gezielte Planung von Training, Pause, Belastungsumfang, -intensität, -frequenz und -kapazität. Im Idealfall geschieht dies unter Anleitung von medizinischem Fachpersonal.
Die Zeit für die Heilung des betroffenen Gewebes darf ebenfalls nicht unterschlagen werden, bevor die Belastung beginnen kann.
In der akuten Verletzungsphase sind hohe mechanische Reize (bspw. Training) strikt zu meiden, um die Gewebsheilung zu ermöglichen.
Nach zwei bis sieben Tagen nach Verletzung sind jedoch leichte Reize ohne externe Gewichte möglich, um schnell die Regeneration anzustoßen. Falls keine Schmerzen auftreten, sind isometrische Übungen (also „Halte-Übungen“) angesagt.
Nach zwei Wochen, folgen dann im Regelfall dynamische Übungen. Der Schmerzzustand muss jedoch immer maßgeblicher Faktor bleiben. Treten beim Training oder nach dem Training Schmerzen auf oder bleiben sogar, ist es Zeit, die Belastung wieder zu drosseln. Hier hilft auch kein „Durchbeißen“, sondern macht alles nur Schlimmer.
In der Regel kann ab drei Wochen leichtes Lauftraining integriert werden.
Je nach Heilungsverlauf folgen in den folgenden Wochen fußballspezifische Belastungen wie Sprünge, Richtungswechsel oder Sprints. Wann dieser Zustand erreicht ist, sollte unbedingt mit medizinischem Fachpersonal abgeklärt werden.
Hier sei noch einmal ausdrücklich erwähnt, dass folgende Übungen genereller Natur sind und auf Erfahrungswerten, sowie Studienergebnissen beruhen.
Der individuelle Heilungsverlauf ist immer anders (mal schneller, mal langsamer) und deshalb ist medizinisches Fachpersonal wichtig und absolut notwendig.
Die folgenden Übungen sind alle in der B42 App für Fußballer*innen verfügbar. Dort findest du Video-Anleitungen zu einzelnen Übungen, komplette Trainings- und Reha-Programme für Fußballer*innen und vieles mehr. Die App ist in den Appstores von Apple und Google erhältlich.
Du startest im Kniestand und spreitzt ein Bein nach außen weg und stützt dich mit der Hand auf dem Boden ab.
Indem du deinen freien Arm unter deinen Oberkörper führst, drehst du dich zunächst ein. Anschließend drehst du dich auf, indem du deinen Arm nach oben führst.
Wiederhole diese Übung auf beiden Seiten.
In dieser Übung führst du einen Seitstütz auf einer Erhöhung aus - hierzu eigenen sich besonders gut Bänke, Stühle oder Plyoboxen.
Dein oberes Bein liegt auf der Box auf, während das freie Bein vom Boden hochgenommen wird.
Wiederhole diese Übung auch auf der anderen Seite.
Du startes mit einem Fuß auf einer Box oder einem Stuhl.
Anschließend beugst du dein vorderes Bein und streckst es wieder durch. Achte dabei auf eine stabile Oberkörperposition und kontrollierte Beug-Streck-Bewegungen.
Wiederhole diese Übung auch auf der anderen Seite.
Starte die Übung seitlich abgelegt. Achte darauf, dass dein Ellbogen unter der Schulter ist.
Anschließend streckst du dein oberes Bein durch und bringst Spannung auf deine Adduktoren. Nun bringst du dein unteres Bein nach vorne und führst es hoch und tief.
Wiederhole diese Übung auch auf der anderen Seite.
Bei Skaterjumps springst du von links nach rechts. Lande dabei kontrolliert und springe anschließend explosiv wieder zurück zur Seite.
Achte auf einen stabilen Oberkörper und explosive Sprünge von Seite zu Seite.
Diese Übungen sind perfekt bei Problemen mit der Leiste.
Wir wiederholen jedoch, dass medizinisches Fachpersonal immer im Heilungsverlauf integriert sein muss.
Weitere Übungen, Workouts und fußballspezifische Trainingsprogramme findest du in der B42 App.
Be fearless. Be focused. B42
Lasse Ahl – Sportwissenschaftler (M.A.)
Lasse Ahl (33) ist seit seinem elften Lebensjahr Fußballer durch und durch. Daneben betreibt er Krafttraining und Radsport.
Als ausgebildeter Sportwissenschaftler (M.A.) der Universität Göttingen arbeitet er seit Jahren mit Fußballer*innen und anderen Sportler*innen zusammen, um deren Leistung zu steigern und bei Verletzunge zu helfen.
Dazu ist er seit mittlerweile fünf Jahren zuständig für das Aus- und Weiterbildungsprogramm der Universität Göttingen in den Bereichen Physiologie und Anatomie.