Offensive im Kinderfußball: Zur Saison 2024/25 werden die neuen Spielformen im Kinderfußball bundesweit verbindlich eingeführt. Verbands-Jugendleiter Florian Weißmann befasst sich seit Jahren damit, wie das Spiel für den Nachwuchs so attraktiv wie möglich gestaltet werden kann. Eines ist Weißmann, der auch Beauftragter für Kinderfußball im DFB-Jugendausschuss ist, dabei besonders wichtig: dass Verbände und Vereine die Reform im Doppelpass umsetzen.
Im Interview spricht der 42-Jährige über Widerstände, die auf dem Weg zur großen Kinderfußball-Reform überwunden werden mussten, erklärt Chancen und Potenziale der neuen Spielformen und räumt mit Vorurteilen auf.
Florian, die neuen Spielformen im Kinderfußball werden mit Beginn der Saison 2024/25 bundesweit verbindlich eingeführt. Aus deiner Sicht ein längst überfälliger Schritt? Oder kommt die Entscheidung genau zum richtigen Zeitpunkt?
Florian Weißmann: Die Einführung ist gewiss ein überfälliger Schritt, nachdem sich bereits seit vielen Jahren immer mehr Möglichkeiten für die Freizeitgestaltung unserer Kinder ergeben. Der Fußball lebt sicher von Tradition, die Gesellschaft – und damit unsere Kinder – wachsen allerdings weitaus weniger mit Tradition auf, das Hier und Jetzt ist schnelllebig genug. Wir Erwachsene tun uns in Deutschland sicher schwerer mit Veränderungen, damit mussten wir eine gute Vorbereitung zur Einführung kindgerechter, moderner Spielformen treffen.
Verbände sehen sich häufig dem Vorwurf ausgesetzt, Entscheidungen von oben herab und aus der reinen Theorie zu treffen, ohne die Vereine richtig einzubeziehen und ausreichend Praxiserfahrungen zu sammeln.
Weißmann: Der Vorwurf mag vereinzelt auch noch zutreffen. Im Kinderfußball war es von Beginn an mein Credo, dass wir die Trainer*innen und Vereinsverantwortlichen, aber auch unsere Staffelleiter*innen mitnehmen und einbinden müssen. Mit viel Aufklärungsarbeit haben wir immer mehr Fußballverantwortliche von den Ideen und Zielen der neuen Spielformen überzeugt. Unterstützt wurden wir von Trainer*innen, die bereits seit mehreren Jahren kleinere Spielformen ausprobiert haben. Kurzum: Vereine und Verbände haben einen gemeinsamen Weg eingeschlagen. Die verbindliche Einführung ist die Konsequenz der bisherigen Pilotierung.
Wie viele Widerstände mussten auf dem Weg überwunden werden? Und wie ist das gelungen?
Weißmann: Viele verstehen unter den kindgerechten Spielformen nur das unter „Funino“ bekannte Drei-gegen-Drei. Hier ist auch heute noch eine intensive Aufklärungsarbeit über das Gesamtkonzept des wachsenden Kinderfußballs notwendig. Vor allem die Verantwortlichen der Landesverbände leisten hier über Online- und Präsenzschulungen oder auch Demo-Spieltage tolle Aufklärungsarbeit. Das wird auch zukünftig der richtige Weg sein. Und ganz ehrlich: Schwer tun sich zumeist die Erwachsenen, die Kinder wollen zuvorderst kicken, die Spielform ist zweitrangig.
Was sind die wichtigsten Erkenntnisse aus der mehrjährigen Pilotphase?
Weißmann: Es war richtig, dass Verbände und Vereine gemeinsam die Entwicklung und Umsetzung des Kinderfußballs angegangen sind. Die gemachten Erfahrungen haben wir in deutschlandweiten Online-Meetings mit den Kinderfußball-Beauftragten der Landesverbände, aber auch mit Vereinsvertretern ausgetauscht. Dieser konstruktive Austausch soll auch weiterhin fortgesetzt werden, denn hier wird nichts von oben aufgedrückt, sondern gemeinsam etwas entwickelt.
Was waren und sind noch die größten Bedenken?
Weißmann: Anfangs war die notwendige finanzielle Investition in Minitore ein großes Thema. Mittlerweile sehen immer mehr Verantwortliche, dass Investitionen in die Kinder- und Jugendarbeit den Verein zukunftssicher machen. Das zweite große Thema ist die für viele vermeintlich fehlende Torhüter*innen-Ausbildung. Dabei sieht das Gesamtkonzept ganz klar das Torhüter*innenspiel ab dem älteren F-Junior*innen-Jahrgang ebenfalls vor.
Keine Liga, keine Tabellen, keine offiziellen Schiedsrichter*innen, keine Torhüter*innen bei den Jüngsten – verlässt der Fußball seine Wurzeln?
Weißmann: Bei den G- und F-Junior*innen ist die Fair-Play-Liga – also Spiele ohne Schiedsrichter*innen und Ligen ohne Tabellen – schon weit verbreitet. Was sind denn die Wurzeln? Die Bundesliga? Die Nationalmannschaft? Oder doch der Straßenfußball? Oder der Kick unter Freund*innen auf dem Dorfplatz?
Warum verstreichen bis zur verbindlichen Umsetzung noch zwei Jahre?
Weißmann: Wir wollen die Einführung von der G- über die F- bis zu den E-Junior*innen wachsen lassen, durch die verbindliche Umsetzung zum Spieljahr 2024/25 ist das Ziel für alle klar – und die Umsetzung kann mit den jetzigen Fußballanfänger*innen beginnen.
Wo liegen die größten Herausforderungen – unter anderem organisatorisch?
Weißmann: Die sicherlich größte Veränderung wird auf dem Platz stattfinden. Es spielen mehr Kinder gleichzeitig und man braucht mehr kleinere Tore. Die bisherigen Erfahrungen zeigen, dass sich nach wenigen Spieltagen eine gewisse Routine einstellt.
Es ist schwieriger geworden, Kinder beim Fußball zu halten. In der Freizeitgestaltung bieten sich viele Möglichkeiten, auch außerhalb des Sports. Welche Bedeutung haben die veränderten Spielformen in dieser Hinsicht?
Weißmann: Kleinere Mannschaften bedeutet, länger spielfähig zu bleiben, wenn Kinder an einem Spieltag einer anderen Freizeitgestaltung nachgehen wollen. Andererseits ist es bei einer größeren Anzahl an Kindern möglich, mit zwei oder mehr Teams an einem Spieltag teilzunehmen. Alle Kids kommen damit zum Spielen. Und genau dieser Ansatz soll Kinder an den Fußball binden. Denn nur wer mittendrin ist, wird auch länger dabeibleiben.