Beleidigen, Bedrohen, Hänseln, Schubsen, Demütigen – beim Mobbing werden Kinder häufig unbemerkt vom Trainer zum Ziel von Anfeindungen und Sticheleien ihrer Mitspieler*innen. Wie Trainer*innen Schikane erkennen und bekämpfen können, erläutert Thomas Krüger.
Die Antwort ist leider eindeutig: Ja! Mobbing ist jedoch ein Tabuthema – Vereine (und auch Schulen) sprechen nicht gern darüber, wenn ‘ausgerechnet’ bei ihnen so etwas passiert. Vor allem dann, wenn das Mobbing über böse Worte hinaus geht. Wenn Mitspieler*innen wiederholt zum Ziel von vermeintlichen Scherzen werden. Wenn sie in der Umkleide eingesperrt werden und der Inhalt ihrer Sporttasche unter der Dusche oder im Mülleimer landet, dann ist das kein Dummer-Jungen-Streich mehr! Da die betroffenen Kinder oder Jugendlichen sich jedoch häufig schämen und die Täter*innen ihre Anfeindungen geschickt vertuschen, bleiben Trainer*innen und Eltern in vielen Fällen völlig ahnungslos. ‘Tatort’ ist häufig die Kabine oder Dusche, denn hier sind Trainer*innen nicht ständig vor Ort. Besonders leicht ist Mobbing zudem geworden, seit Spieler(-gruppen) auch digital vernetzt sind. Eine böse Nachricht oder ein heimlich aufgenommener Schnappschuss ist per Handy schnell verbreitet – und auf Plattformen wie Snapchat, die Bilder sofort nach Erhalt wieder löschen, sind jegliche Spuren unmittelbar wieder verschwunden.
Mobbing kann sowohl in Form eines einzigen (extremen) Ereignisses erfolgen als auch als schleichender Prozess, in dem sich die Aktionen gegen das Mobbingopfer immer weiter steigern. Aus häufig unerfindlichen Gründen schließt sich dann eine Spielergruppe zusammen und stellt sich gegen eine*n Mitspieler*in. Oft hegt zunächst nur ein*e einzelne*r Spieler*in einen gewissen Groll gegen das Mobbingopfer – er fühlt sich ungerecht behandelt oder möchte sich rächen für einen Schubser im Training oder eine verbale Attacke – und sucht sich Verbündete, die sich ihm anschließen. Kinder haben dabei bereits ein sehr gutes Gespür, wer als Mitstreiter*in in Frage kommt – den vernünftigen Schlichter des Teams sprechen sie bewusst nicht an. Vielen anderen fällt das Mitmachen nicht schwer. Einige haben Spaß daran, ihre Machtposition gegenüber einem schwächeren Kind auszuüben, andere machen nur mit, damit sie nicht selber zum Opfer werden.
Oft trifft das Mobbing in Sportmannschaften die weniger spielstarken Spieler*innen und sie werden dahingehend beleidigt – das führt bei ihnen zu dem Gefühl: »Mich will hier keiner!« oder »Mich braucht man nicht, ich kann nichts!«.
Es gibt übrigens nicht nur eine Altersklasse, in der gemobbt wird. Grundsätzlich sollten Trainer*innen von Jugendmannschaften immer auf der Hut sein – insbesondere nach der Neuformierung einer Mannschaft (wenn jüngerer und älterer Jahrgang aufeinandertreffen) besteht erhöhtes Konfliktpotenzial.
Mobbing ist ein sehr sensibles und intimes Thema. Ein*e Trainer*in muss daher ein Gespür dafür entwickeln, ob in seiner Mannschaft Spieler*innen von anderen schikaniert und ausgegrenzt werden. Ein Warnsignal kann zum Beispiel sein, wenn Spieler*innen unvermittelt dem Training fernbleiben, obwohl sie bislang (scheinbar) immer mit Spaß dabei waren.
Wenn ein*e Trainer*in die Vermutung hat, dass ein*e Spieler*in gemobbt wird, sollte er zunächst den oder die Täter ausfindig machen. Wenn sich ein*e betroffene Spieler*in in Schweigen hüllt, um nicht als ‘Petze’ dazustehen, ist das oft gar nicht so leicht. Trainer*innen sollten dem Mobbingopfer ein Gefühl von Wertschätzung vermitteln. Im ruhigen Gespräch mit einzelnen Spieler*innen oder Kleingruppen lässt sich dann in der Regel schnell herausfinden, wer alles am Mobbing beteiligt war. Oft gehen den Anfeindungen kleine Streitigkeiten voraus, die die Mitspieler*innen zum Anlass nehmen, auf ihrem Teamkameraden herumzuhacken.
Spätestens, wenn die Täter gefunden sind, ist es an der Zeit, die Eltern von Opfer und Täter(n) zu informieren und Transparenz zu schaffen – auch der gesamten Mannschaft gegenüber. Die Aufarbeitung eines Mobbingfalls im Mannschaftskreis (ohne dabei Täter oder Opfer bloßzustellen) kann dazu beitragen, dem Mobbing in Zukunft keinen Raum mehr zu bieten. Auch ein Patenschaftsmodell – ein*e Spieler*in (Schlichter*in) wird dem Mobbingopfer als Ansprechpartner/Helfer zur Seite gestellt – ist eine mögliche Reaktion.
Wichtig ist es, dass ein*e Trainer*in keinen seiner Spieler*innen fallenlässt oder (vor-)verurteilt – auch die Täter haben eine zweite Chance in der Mannschaft verdient. Ebenso ist es fahrlässig, zu denken, das reguliere sich schon von selbst, da müssten Kinder durch. Ein*e Trainer*in muss hier seiner Verantwortung gerecht werden und seine Spieler*innen vor derartigen Übergriffen schützen – am besten, indem er es gar nicht erst zum Mobbing kommen lässt.
Wer seinen Spieler*innen immer wieder aufs Neue sagt und zeigt, dass jedes Mitglied der Mannschaft einen wichtigen Beitrag zum Mannschaftserfolg und zur Gemeinschaft leistet, der legt den Grundstein dafür, dass jede*r einzelne Spieler*in sich wertvoll fühlt und somit weniger angreifbar ist. Um die Wertschätzung gegenüber Mitspieler*innen zu manifestieren, kann ein Ehrenkodex verfasst werden, den Team und Trainer*in vor der Saison gemeinsam beschließen und unterzeichnen. Zusätzlich können darin auch sogenannte ‘In-Team-Regeln’ aufgestellt werden, wie zum Beispiel ein Handy-/Fotoverbot während des Trainings und insbesondere auch in der Kabine. Klare Regeln und Absprachen bieten den Kindern und Jugendlichen Orientierung und helfen, unerwünschtes Verhalten zu vermeiden.
Es ist wichtig, dass die Spieler*innen stets merken, dass Trainer*innen ihre Aufsichtspflicht wahrnehmen und sich für die Mannschaft interessieren – auch wenn er oder sie nicht in der Kabine ist. Er sollte also stets pünktlich sein und auch nach dem Training so lange bleiben, bis alle Spieler*innen aus der Kabine kommen, um überhaupt mitbekommen zu können, wenn das Verhalten aus den geregelten Bahnen läuft. Es ist auch sinnvoll, zwischendurch mal einen Blick in die Kabine zu werfen und zu fragen, ob alles in Ordnung ist. Das bietet Spieler*innen unmittelbar die Möglichkeit zur Beschwerde. Sie sollen ermutigt werden, sich an den/die Trainer*in zu wenden, wenn Probleme auftreten. Sich Hilfe zu holen, bedeutet nicht, zu petzen – das muss ein*e Trainer*in allen klarmachen.
Zur Prävention sind auch Trainingseinheiten möglich, in denen sich die Kinder und Jugendlichen durch ein Sozialtraining (über Rollenspiele o. Ä.) bewusst mit dem Thema Mobbing auseinandersetzen und somit für Situationen sensibilisiert werden, in denen Mannschaftskameraden einen Mitspieler drangsalieren.
Hans hat im Sommer mit dem Fußballspielen angefangen und spielt in der (einzigen) D-Jugend des Vereins. Die meisten seiner Mitspieler sind schon seit der F- oder E-Jugend dabei und sind ihm daher spielerisch weit voraus. Trotzdem nehmen sie Hans freundlich auf, er kommt mit viel Spaß zum Training und macht gute Fortschritte.
Vor einer Trainingseinheit im Winter – es ist noch recht viel Zeit bis zum Trainingsbeginn und der Trainer ist noch nicht da – machen die Jungs, die früh da sind, eine Schneeballschlacht. Hans trifft Alex am Hinterkopf – alle lachen lauthals. Alex verletzt sich nicht, hat aber einen ganzen Haufen Schnee im Nacken und würdigt Hans im darauffolgenden Training keines Blickes mehr. Er fängt an, vor einigen Mitspielern – seinen besten Kumpels im Team – darüber herzuziehen, wie schlecht Hans Fußball spielt und dass er immer nur Fehler macht. Alex' Freunde steigen gerne mit ein und in der nächsten Zeit erhält Hans im Team zunehmend weniger Unterstützung. Nur wenige möchten mit ihm in Partnerübungen zusammenarbeiten und wenn er einen Fehler macht, lachen einige darüber.
Vor einem Spiel im Frühjahr machen sich Alex und zwei Mitspieler einen Spaß daraus, Hans’ Trikot zu verstecken. Erst als Hans dem Trainer sagt, sein Trikot sei verschwunden, müssen die drei kichern und fördern das Trikot wieder zutage. Der Trainer schüttelt den Kopf, lacht und denkt sich nichts weiter dabei. Hans lächelt gezwungen – nach Lachen ist ihm nicht zumute. Am nächsten Trainingstag meldet seine Mutter ihn vom Training ab – er habe Bauchweh, werde aber sicher beim nächsten Training wieder dabei sein. So kommt es auch. Hans wirkt jedoch unglücklich und ist nicht mehr mit so viel Spaß bei der Sache. Der Trainer fragt ihn, ob er heute keine Lust hat – Hans zuckt nur mit den Schultern.
Das Beispiel zeigt, wie sich schnell und unmerklich – basierend auf einer einzigen Situation – ein Mobbingfall entwickeln kann. Der Trainer hat einige Indizien nicht wahrgenommen und es so verpasst, frühzeitig einzugreifen und die Situation zu entschärfen. Diese Indizien waren:
Damit dies nicht passiert: Seid aufmerksam, schaut hin, nicht weg und sucht im Zweifel lieber einmal zu viel mit einem Spieler das Gespräch als einmal zu wenig!
(Quelle: DFB)