Millionen Kinder und Jugendliche in Deutschland spielen Fußball. Unabhängig vom Leistungsvermögen, Geschlecht, sozialen Hintergrund und vom Bildungsstand haben alle eines gemeinsam: Sie sind zum einen außerordentlich sportbegeistert und müssen sich zum anderen auf ihrem Weg zum Erwachsenen vielfältigen sportlichen und außersportlichen Herausforderungen stellen.
Jede*r Trainer*in hat dabei eine große Chance und gleichzeitig eine große Verantwortung: Ein*e Trainer*in kann nämlich aktiv bei der – nicht nur sportlichen – Entwicklung der Kinder zu starken Persönlichkeiten mitwirken.
Natürlich versteht sich ein*e Trainer*in in erster Linie als jemand, der seinen Spielern das Fußballspielen beibringt. Und da der Fußball mit vielfältigen anderen Freizeitangeboten konkurriert, ist es wichtig, dass die Jugendlichen diesen Sport auch gerne treiben. Wenn man aber bedenkt, wie wenige Spieler*innen selbst bei professioneller Ausbildung den Sprung zum Fußballprofi schaffen, müssen andere Dinge als die reine sportliche Entwicklung im Vordergrund stehen.
Noch wichtiger für ihre – außersportliche – Zukunft ist nämlich, dass sie durch den Sport auch erzogen und sozialisiert werden und Dinge lernen, die für ihr späteres Leben von Nutzen sind. Allerdings gelingt dies nicht einfach dadurch, dass ein Kind Fußball spielt. Das allein trägt nicht dazu bei, dass es positive Gemeinschaft erlebt, dass es lernt, mit Siegen und Niederlagen umzugehen, sich diszipliniert zu verhalten oder zu erkennen, was ‘Fair-Play’ bedeutet.
Das alles gelingt nur durch die entsprechende Erziehung durch ein*e Trainer*in!Trainer*innen müssen als Vorbild wirken, Regeln vorgeben und für deren Einhaltung sorgen, Spieler*innen anleiten und ihnen immer wieder Rückmeldungen zu ihrem Verhalten geben. Erst durch diese Arbeit kann Sport zu einer positiven Gesamtentwicklung der Jugendlichen beitragen. Ohne sie drohen sogar negative Auswirkungen, z. B. dass der Sieg wichtiger als das Fair-Play ist.
Als Fußballtrainer*innen haben wir das Glück, dass unser Mannschaftssport dazu tolle Möglichkeiten bietet. Die folgenden Beispiele zeigen auf, wie ein*e Trainer*in den Spieler*innen über das Erlernen dieser wunderbaren Sportart hinaus etwas mit auf den Weg geben kann, das sie in ihrem gesamten Leben – ob mit oder ohne Fußball – nutzen können.
Jugendliche bringen pro Woche durchschnittlich bis zu 40 Stunden für die Schule bzw. 44 Stunden für eine Berufsausbildung auf. Bei Gymnasiasten im G8-Zug steht teilweise ein noch höherer Aufwand an. Der Trainingsaufwand für Fußball ist selbst im Leistungsbereich mit 11 bis 15 Stunden im Vergleich zu anderen Sportarten zwar gering, hinzu kommen jedoch oft Fahrzeiten von bis zu 15 Stunden, sodass ein*e junge*r Fußballer*in mit Schule und Sport (ohne Spiel!) etwa 65 Stunden beschäftigt ist.
Dieser Hetzerei und einer eventuell daraus resultierenden Unkonzentriertheit im Training kann man beikommen, indem man mit den Kindern und Jugendlichen ihre einzelnen Aktivitäten durchgeht, einen schriftlichen Wochenplan aufstellt, ‘tote Zeit’ aufdeckt und so zu einem effektiven Zeitmanagement beiträgt.
Solche Fragen helfen auch Kreisligaspieler*innen, ihre Zeit besser einzuteilen und ihre Aufgaben besser erledigen zu können. Natürlich haben sie weniger Training und automatisch mehr Freizeit. Aber wird diese Zeit auch wirklich effektiv und sinnvoll genutzt, oder wird einfach nur mehr ‘gechillt’?
Wenn ein*e Spieler*in merkt, dass ein besseres Zeitmanagement zu mehr und/oder besserem Training führt, wird er/sie sich garantiert daran halten!
An das Zeitproblem schließt sich direkt die schwierige Vereinbarkeit von Schule und Fußball an. Nur äußerst wenige Talente schaffen den Sprung zum Profi, und eine Verletzung kann den Traum sogar von heute auf morgen zerstören. Egal ob Talent oder Freizeitfußballer*in – alle müssen sich also möglichst perfekt auf das Berufsleben vorbereiten! Insofern hat jeder Trainer eine große Verantwortung gegenüber seinen Spieler*innen und deren Eltern.
Schulischer Erfolg steht übrigens in direktem Zusammenhang mit sportlichem Erfolg – und umgekehrt! Wer sich gewissenhaft auf Klassenarbeiten vorbereitet, seine Hausaufgaben macht, keine Fehlzeiten in der Schule hat und im Unterricht nicht stört, beweist u. a. Zielstrebigkeit, Verlässlichkeit, Willen, Respekt und Disziplin – allesamt Eigenschaften, die ihm auch im Fußball helfen, gute Leistungen zu erbringen.
Auf der anderen Seite behindern schulische Probleme auch die sportliche Entwicklung, wenn etwa ein*e Spieler*in nicht trainieren kann, weil er in der Schule hinterher hinkt, oder wenn er unkonzentriert trainiert, weil er die Mathearbeit am nächsten Tag im Kopf hat und schlecht darauf vorbereitet ist. Zudem ist ein*e hoch gebildete*r Sportler*in in der Regel selbstständiger und kreativer, wodurch auch im Fußball eine höhere Problemlösungskompetenz vorhanden ist und in entscheidenden Spielsituationen eher die richtige Entscheidung getroffen werden kann.
Es helfen viele kleine Maßnahmen, um Fußball und Schule unter einen Hut zu bekommen: Ein erster Schritt ist es, den Spieler*innen und Eltern die beschriebenen Zusammenhänge zu kommunizieren. Fehlentwicklungen können frühzeitig erkannt werden, wenn ein*e Trainer*in regelmäßig nach den schulischen Leistungen fragt. Was er dann daraus macht, ist im Einzelfall und gemeinsam mit Spieler*in und Eltern zu entscheiden: Ob er wegen einer schlechten Note für eine gewisse Zeit mit dem Training aussetzen sollte oder ob Nachhilfe angebracht wäre. Dieses Interesse hat den weiteren Vorteil, dass Spieler*innen wie Eltern Vertrauen gewinnen und sich gut aufgehoben fühlen.
Besonders Nachwuchsfußballer*innen haben nur wenig Möglichkeit zur Pflege außersportlicher Freundschaften und zur Entwicklung neuer Interessen, da Training und Wettkämpfe zumeist abends bzw. am Wochenende stattfinden und oft mit Kulturangeboten und sozialen Aktivitäten kollidieren.
Kontakte zu anderen Jugendlichen und die Beschäftigung mit fußballfremden Themen sind extrem wichtig, um den Stress aus Schule und Training abzubauen, verschiedenste entwicklungsspezifische Erfahrungen zu machen und eine stabile Persönlichkeit zu entwickeln.
Nun kann ein*e Trainer*in nicht Freundschaften für Spieler*innen schließen. Aber er oder sie kann helfen, ihnen verschiedene Perspektiven aufzuzeigen, z. B. durch gemeinsame Besuche im Kino, Schwimmbad oder beim Bowling. Jugendliche folgen auch einer Gerichtsverhandlung gespannt, haben Spaß im Niedrigseilparcours und können ihren Horizont auch durch die Begegnung mit Menschen mit Behinderung erweitern.
Mit Kreativität in diesem Bereich bringst du deine Spieler*innen auch sportlich weiter! Freizeit allein reicht schließlich nicht aus: Ohne Anregung zu bestimmten Aktivitäten wird er eher träge und erholt sich schlechter.
Talente müssen sich lange vor dem sportlichen Erfolg voll und ganz ihrem Sport hingeben, um irgendwann vielleicht Spitzenleistungen erbringen zu können. Auch deshalb träumen viele schon bald von der großen Karriere als Profi, auch wenn diese nur den wenigsten vorbehalten ist.
Dabei ist diese einseitige Fokussierung nicht nur ein Phänomen der Leistungszentren. Auch Trainer*innen auf Landes- oder Bezirksebene kennen junge Spieler*innen, die dem Fußball in der Hoffnung auf eine Karriere im oberen oder gar nur mittleren Amateurbereich Schule und Freundschaften unterordnen. Auch viele Bezirksligaspieler*innen vernachlässigen die Schule zugunsten des Fußballs!
Kinder sind keine kleinen Erwachsenen – und jugendliche Talente noch keine Profis! Die Trainer*innen sind also gefordert, diesen Prozess besonders behutsam anzugehen! Gerade wenn ein*e Spieler*in schon früh gelernt hat, dass auch Fehler erlaubt sind, dass Leistung und Entwicklung nicht nur von der Anzahl an Siegen abhängt und dass man sich in Ruhe entwickeln kann, wird er als Erwachsener besser mit Drucksituationen (in allen Lebensbereichen!) umgehen.
Ein*e Trainer*in kann auf verschiedene Arten helfen, Leistungsdruck in förderliche Bahnen zu lenken. Er kürt z. B. ein*e Nachwuchskicker*in zum ‘Spieler des Monats’, der nicht nur besondere sportliche, sondern auch tolle schulische, soziale oder persönliche Leistungen erbracht hat: Nicht nur der, der die meisten Tore geschossen hat, sondern eben auch der, der z. B. einen guten Schulabschluss schafft oder einen Gegner vor einem unberechtigten Platzverweis bewahrt, hat sich diese Auszeichnung redlich verdient!
Zu emotionalen Konflikten kann es kommen, wenn Spieler*innen Verletzungen zu überstehen haben, Misserfolge verarbeiten oder Erfolge richtig einordnen müssen. Besonders hier schauen die Spieler*innen: Wie verhält sich mein*e Trainer*in?
Bescheidene und bodenständige Trainer*innen, die im Erfolg nicht überheblich werden und im Misserfolg fair bleiben, können das auch von ihren Spieler*innen erwarten und einfordern. Der Vorbildfunktion muss sich ein*e Trainer*in hier stets bewusst sein! Ein cholerischer und am Spielfeldrand oder in der Kabine herumtobende*r Trainer*in muss sich nicht wundern, wenn sich seine Spieler*innen ebenfalls von Emotionen leiten lassen und in kritischen Situationen den Kopf verlieren.
Für jeden jungen Menschen stellt sich außerdem irgendwann die Frage: Was möchte ich einmal werden? Was mache ich nach der Schule? Viele Jugendliche können noch nicht eigenständig klare Zukunftsvorstellungen entwickeln. Umso wichtiger ist es als Trainer*in, ein Vertrauensverhältnis zu den Spieler*innen aufzubauen, offen und in Ruhe mit ihnen und ihren Eltern zu sprechen und vor allem individuell auf sie einzugehen.
Trainer*innen können auch auch in außersportlichen Problemsituationen als Ansprechpartner*innen dienen. Nicht selten kommt es vor, dass sie sich auch mit privaten Problemen beraten lassen wollen, weil sie sich gut aufgehoben fühlen. Hier gilt es zuzuhören und nach Kräften zu helfen – selbst mit Rat und Tat oder auch mit einer Vermittlung an einen außenstehenden Experten!
Sei sir dabei bewusst: Du kannst nicht alles regeln! Du bist Trainer*in und Erzieher*in – kein Zauberer.
(Quelle: DFB)