Der Dorfklub TSV Aubstadt aus einer 750-Seelen-Gemeinde im unterfränkischen Landkreis Rhön-Grabfeld lässt nicht nur mit dem starken sechsten Platz in der Regionalliga Bayern aufhorchen. Das Team von Trainer Victor Kleinhenz darf nach dem 3:1 im Verbandspokal gegen Drittligist Türkgücü München auch vom DFB-Pokal träumen. Im BFV.de-Interview erklärt der erst 30 Jahre alte Trainer die gute Form.
Ihrer Mannschaft ist mit dem 3:1 gegen Titelverteidiger Türkgücü München eine große Pokalüberraschung gelungen. Wie oft mussten Sie sich kneifen, um das zu realisieren, Herr Kleinhenz?
Victor Kleinhenz: Die Freude ist natürlich noch groß. Zumal unser Sieg auch absolut verdient war. Wir haben eine geschlossene Leistung auf den Platz gebracht. Die Mannschaft und der ganze Verein haben komplett überzeugt.
Was war ausschlaggebend für den Erfolg?
Kleinhenz: Die Grundlage war unsere Trainingswoche vor dem Pokalspiel. Schon da haben die Jungs den Glauben versprüht, dass wir die Sensation schaffen können. Wir waren voll fokussiert. Im Ballbesitz sind wir gegen das aggressive Pressing von Türkgücü ruhig geblieben, haben dazu mit extrem viel Begeisterung verteidigt.
Sorgt der Sieg jetzt auch für eine erhöhte Erwartungshaltung?
Kleinhenz: Mit erhöhten Erwartungshaltungen kann ich nicht so viel anfangen, das steigert nur das Potenzial der Enttäuschung. Die Fans und das Umfeld träumen jetzt natürlich von mehr, ist doch logisch. Die dürfen das auch. Unsere grundsätzliche Herangehensweise ist, dass wir in jedem Spiel unsere bestmögliche Leistung bringen wollen. Das hat sich bewährt, dabei werden wir bleiben.
Was würde die Teilnahme am DFB-Pokal für den TSV Aubstadt bedeuten?
Kleinhenz: Es wäre definitiv der größte Erfolg der Vereinsgeschichte.
Auch in der Regionalliga Bayern läuft es mit Platz sechs nach 16 Spieltagen ausgezeichnet. Wie lautet das Erfolgsgeheimnis?
Kleinhenz: Wir haben im Team einen sehr fairen und tollen Umgang miteinander. Die Jungs haben einen prima Charakter, das zeigt sich auch in den Spielen. Jeder darf sich mit einbringen, ist immer für den anderen da. Fehler sind erlaubt. Dabei sind wir weiterhin ein Amateurklub. Das heißt: Unsere Spieler stehen vor der besonderen Herausforderung, die Regionalliga Bayern mit Beruf oder Studium unter einen Hut zu bringen. Das geht nur mit extremer Disziplin und großem Ehrgeiz. Das machen die Jungs vorbildlich. Auch fußballerisch haben wir uns weiterentwickelt. Wir strahlen bei eigenem Ballbesitz mehr Ruhe und Souveränität aus, können aber auch durch Umschaltmomente in die gefährlichen Räume kommen.
In die Saison war Ihr Team noch mit vier Partien ohne Sieg gestartet. Hatte das 1:5 im Derby beim 1. FC Schweinfurt 05 etwas ausgelöst?
Kleinhenz: Diese Phase hat uns in der Tat sehr viel Kraft gegeben. Wir waren uns bewusst, dass der Spielplan gleich zu Beginn mit den Duellen gegen einige Spitzenteams sehr anspruchsvoll ist. Mich hat es beeindruckt, wie ruhig der gesamte Verein und die Mannschaft geblieben sind. Der Zusammenhalt ist noch größer geworden. Davon profitieren wir auch aktuell.
Hauptberuflich arbeiten Sie als selbständiger Vermögensberater. Im Fußball waren Sie bis 2020 noch Spielertrainer in der achtklassigen Bezirksliga. Was ist in der Regionalliga Bayern die größte Herausforderung?
Kleinhenz: Zugegeben: Es hat schon einen Moment gedauert, bis ich mich an den Blickwinkel von außen gewöhnt habe, nachdem ich zuvor lange selbst auf dem Platz stand. Wenn im Training die Anzahl der Spieler in den Mannschaften nicht aufgeht, mache ich ab und zu beim Abschlussspiel mit. Für mich ist es das Highlight der Trainingswoche. Die Jungs sind dann aber doch ganz froh darüber, wenn ich nicht mitspiele und das Niveau hoch bleibt. (lacht) Sonst ist das Drumherum schon deutlich professioneller. Die Arbeit mit meinen beiden Co-Trainern André Betz und Christopher Bieber - der auch noch Spieler ist - sowie Torwart-Trainer Christian Mack und Athletik-Trainer Christoph Dorn macht großen Spaß. Sie erfüllen ihre Aufgaben perfekt. Ich persönlich möchte mich als Trainer weiterentwickeln und jede Menge Erfahrungen in dieser Liga sammeln. Mit meinem Beruf und unserer Familie mit zwei Kindern lässt sich das durchaus vereinbaren. Langweilig wird mir aber wirklich nicht. (lacht)
Wie lautet die Zielsetzung für den weiteren Saisonverlauf?
Kleinhenz: Wir wollen zunächst einmal schnellstmöglich über 40 Punkte auf dem Konto und damit Planungssicherheit für die nächste Spielzeit haben. Je näher wir dieser Marke noch vor der Winterpause kommen, umso schöner ist es. Nicht nur bei den Punkten, auch auf dem Platz wollen wir zulegen. In vielen Phasen sehen wir Potenzial, da haben wir die eine oder andere Idee für die Zukunft.
Als nächste Aufgabe steht das Heimspiel gegen den Aufsteiger FC Pipinsried auf dem Programm. Mit welchen Erwartungen gehen Sie in die Partie?
Kleinhenz: Das erste Spiel nach einem tollen Erfolg ist ja so etwas wie die Königsdisziplin im Sport. Wir werden uns das Training die Woche über anschauen, um eventuell notwendige neue Impulse zu setzen. So wie ich den Charakter unserer Mannschaft kenne, werden wir am Samstag gegen einen starken Gegner eine leidenschaftliche Leistung zeigen und im Idealfall dreifach punkten.
BFV-Interview: Dominik Dittmar/MSPW